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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Bohnenessen und jährlich einen Karnevalsumzug, doch auch hier war das Interesse stark rückläufig.
    Noch schlimmer traf es die kleine Methodistenkirche. Sie bot Sitzplätze für 200 Personen, aber nur 15 Unverdrossene besuchten regelmäßig den Gottesdienst. Die Kirche der Baptisten war sogar seit zwei Jahren geschlossen und präsentierte sich mit verriegelten und vernagelten Türen und Fenstern. Eine Polizeistation oder Schulen gab es in Brinkley Springs nicht. Die Stadt wurde von der Staatspolizei mitbetreut, die ein- bis zweimal täglich mit einem Streifenwagen durch den Ort kurvte, um Präsenz zu zeigen. Sonst kreuzten die Beamten nur auf, wenn jemand den Notruf wählte. Die Kinder wurden mit Bussen zu den Schulen in Lewisburg gebracht. Sie verließen in aller Herrgottsfrühe das Haus und kehrten nach Einbruch der Dunkelheit zurück, bis sie eines Tages ihren Abschluss machten. Danach besuchten sie ein College, verpflichteten sich beim Militär oder fanden irgendwo anders eine Anstellung und kehrten höchstens an Feiertagen oder zu familiären Anlässen wie Hochzeiten oder Beerdigungen zurück – manchmal selbst dann nicht.
    Dennoch verfügte Brinkley Springs über einen gewissen Charme. Der Greenbrier River verlief entlang der Ostgrenze der Stadt und erfreute sich der Beliebtheit sowohl örtlicher als auch auswärtiger Angler, Wanderer und Wildwasserkanuten. Der Umstand, dass es kaum Privatgrundstücke in der Umgebung gab, lockte während der Wild-, Bären- und Truthahnsaison zahlreiche Jäger an. Jenseits der offiziellen Zeiten versuchten etliche Wilderer ihr Glück. Auch in die Antiquitäten- und Andenkenläden verirrten sich gelegentlich Reisende oder Urlauber, die sich gern abseits ausgetretener Pfade bewegten. Dasselbe galt für Esther Laudrys Frühstückspension, ein umgebautes Wohnhaus aus dem frühen 20. Jahrhundert, in der sich zuweilen auch Wanderer oder Raftingenthusiasten einquartierten.
    Für die Einheimischen stellte Brinkley Springs lediglich den Ort dar, an dem sie lebten. Nicht mehr, nicht weniger. Einen Ort, an dem sie schliefen, aßen, kackten und fickten. Einen Ort, an dem sie die Abende vor dem Fernseher verbrachten oder an den Wochenenden mit ihren Kindern Football spielten. Einen Ort, an dem sie ihre Autos abstellten, ihre Haustiere versorgten und ihre Kleider in den Schrank hingen. Ein Quartier für ihre Habseligkeiten. Ihr wahres Leben spielte sich dagegen in Büros und Fabriken außerhalb der Stadt ab, weil sie dort den Großteil ihrer Zeit verbrachten.
    Manche Leute behaupteten, die Stadt läge im Sterben. Wie recht sie damit hatten …
    Von Schatten verborgen kauerten fünf menschliche Gestalten auf den Stahlträgern des Strommasts, die zuvor die Krähen besetzt hatten. Sie trugen ähnliche Kleidung – schwarze Hosen und Hemden, schwarze Schuhe, schwarze Mützen und lange schwarze Mäntel, die bis über ihre Fersen reichten. Ein Passant hätte vielleicht gedacht, dass ihre Aufmachung an die Kolonialzeit Amerikas erinnerte, abgesehen von der Farbe und der Art, wie der Stoff mit der Dunkelheit zu verschmelzen schien.
    Sogar die Gesichtszüge der Männer ähnelten sich – alle besaßen spitze Nasen und Kinnpartien, dunkle Augen und noch dunkleres Haar. Nur in der Statur unterschieden sie sich, wenn auch geringfügig. Mit knapp 1,90 Metern setzte sich einer von ihnen an die Spitze, die anderen mussten sich mit weniger Zentimetern geschlagen geben. Jeder schien sich dem Größten in ihren Reihen unterzuordnen, der müßig dort kauerte, während er den Kopf auf dem kaum vorhandenen Hals in einer eigenartigen Bewegung vor- und zurückschnellen ließ und dabei auf die Stadt hinabstarrte. Schließlich ergriff er das Wort. Seine Stimme erinnerte an das Knirschen von Glasscherben.
    »Es ist schön, euch wiederzusehen, Brüder.«
    »Ja«, pflichtete der Zweite bei. »Die Jahre zwischen unseren Versammlungen scheinen mit der Zeit langsamer zu verstreichen.«
    »Vieles hat sich verändert, seit wir zuletzt in dieser Gestalt vereint waren«, meinte der Dritte und blickte dabei erst zur Ortschaft unter seinen Füßen, dann zu den Stromleitungen über seinem Kopf.
    »Nicht wirklich«, widersprach der Erste. »Ihre Technologie hat sich seit unserer letzten Zusammenkunft weiterentwickelt, aber sie selbst sind gleich geblieben – unwissende, unbedeutende kleine Kreaturen, die überwiegend keine Ahnung von den Vorgängen im Universum rings um sie herum haben. Sie verändern sich auch dann nicht,

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