Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
betrachtete sie ihren Körper voller Argwohn. Mit ihren einundvierzig Jahren empfand sie sich zwar nicht als »alt«, aber es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass man ab jetzt auf die fünfzig zuging. Auch ihrer Haut merkte man die Jahre allmählich an. Beinahe widerwillig griff Nina nach einer straffenden Körperlotion und verteilte die duftende Creme aus Ceramiden und Meeresalgen-Extrakten auf ihrem Körper. Laut Packungsbeilage hätte sie ihre Durchblutung vorher mit einer Bürstenmassage anregen müssen. Doch dazu hatte sie weder Lust noch Zeit. Das würde sie nur tun, wenn ihr danach zumute war, und nicht dann, wenn irgendein Kosmetikkonzern es ihr einreden wollte.
»Muss ich mich schämen, weil ich einundvierzig bin?«, fragte sie ihr Spiegelbild und wischte das Kondenswasser weg, um ihr Gesicht eingehend zu betrachten, auf dem sich ebenfalls bereits kleine »Verschleißerscheinungen« zeigten: zarte Fältchen um Augen und Oberlippe sowie erste Anzeichen eines erschlaffenden Kinns. Während Nina eine Augencreme auftrug, klingelte das Telefon. Eigentlich hatte sie keine Lust auf einen abendlichen Plausch. Widerstrebend ging sie an den Apparat. Vielleicht war es Annette, die einen Extrawunsch für den morgigen Einkauf auf dem Blumengroßmarkt hatte.
»Hallo?«, sagte sie mürrisch. Am anderen Ende der Leitung war es still. Das konnte auf keinen Fall Annette sein, die hätte sofort losgeredet.
»Nina?«, fragte eine männliche Stimme, und ihr Herz begann zu klopfen. Diese Stimme hatte sie seit einem Jahr nicht mehr gehört und eigentlich gehofft, den Rest ihres Lebens von ihr verschont zu bleiben.
»Hallo, Gerald«, antwortete sie barsch und zog den Bademantel enger um ihre schmale Taille. Ihr war schlagartig kalt geworden.
»Ich weiß, dass wir eigentlich Kontaktsperre vereinbart hatten«, sagte er zögernd, »aber jetzt, wo ich wieder in Hamburg bin, fand ich es einfach merkwürdig, mich nicht zu melden.«
Gerald war also wieder in Hamburg. Ninas Kehle schnürte sich zusammen. Das war der Mann, der ihr Herz in tausend Stücke zerrissen hatte! Selbst nach dieser langen Zeit löste seine Stimme schlagartig Beklemmungen in ihr aus.
»Nina? Nina, bist du noch da?«, fragte Gerald, und sie erwog kurz, einfach aufzulegen und so zu tun, als hätte sie seinen Anruf nie erhalten. Doch damit würde sie Gerald viel zu viel Macht zugestehen, und dazu war sie keinesfalls bereit. Damit war nun ein für alle Mal Schluss!
»Ich bin noch da«, erwiderte sie und ärgerte sich über das leichte Zittern in ihrer Stimme. Hoffentlich hatte Gerald nichts bemerkt, es würde ihn nur ermutigen. »Was gibt’s? Weshalb rufst du an?«
»Ich möchte dich sehen«, sagte er, und Nina ließ den Hörer sinken.
Zitternd stieg Stella aus dem Wagen und eilte zu dem kleinen Mädchen, das vom Fahrrad gefallen war.
»Sind Sie wahnsinnig«, schrie die Mutter, und Stella dachte, vielleicht noch nicht im Moment, aber ich bin auf dem besten Weg dahin.
»Es tut mir so leid«, stammelte sie und merkte selbst, wie schwach ihre Worte klangen. Beinahe hätte sie ein kleines Kind überfahren! Und das alles nur, weil sie mit ihren Gedanken mal wieder woanders gewesen war.
»Anzeigen sollte man Sie«, kreischte die Frau und zerrte ihre Tochter samt Fahrrad auf den Bürgersteig.
»Sie haben recht«, entgegnete Stella. Was hätte sie auch sonst sagen sollen? Dann strömten ihr Tränen über die Wangen. Hinter ihr hupten ungeduldige Autofahrer, und Stella wäre am liebsten im Erdboden versunken. Schnell steckte sie der Mutter ihre Visitenkarte zu. »Melden Sie sich bitte bei mir«, rief sie und stieg in den Wagen. Im Rückspiegel sah Stella, wie die Frau den Kopf schüttelte, und um nicht vollends in Panik zu geraten, beschloss sie, den Unfall erst mal zu verdrängen. Sie musste zu ihrem Kundentermin, zur Kosmetik und danach kam Julian. Sie würden zusammen essen gehen, ein Glas Wein trinken, und anschließend konnte sie in Ruhe darüber nachdenken, was in ihrem Leben schieflief.
Pünktlich um neunzehn Uhr war sie geduscht, umgezogen und bereit für einen romantischen Abend mit Julian. Das glatte, halblange Haar hatte sie zu einem lässigen Knoten geschlungen, aus dem sich einige Strähnen lösten und ihre Ohren umspielten. Ihre langen Beine steckten in halterlosen Netzstrümpfen und sexy Schaftstiefeln; ein cremefarbenes Seidenkleid umspielte ihren zartgliedrigen Körper, und kleine Brillantohrringe schimmerten mit den Goldsprengseln ihrer
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