Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
stellte den Champagner in den Kühlschrank. Als die beiden aus der Wohnungstür traten und zum Wagen gingen, wusste sie bereits, dass sie einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen hatte.
Geschafft, dachte Leonie, als sie ihre Schuhe gegen ein Paar dicker Wollsocken eintauschte. Ein weiterer unerfreulicher Tag bei Traumreisen war zu Ende gegangen, und jetzt wollte sie nichts weiter, als es sich endlich gemütlich zu machen. Es war kurz nach sieben, ihr blieb noch genau eine Stunde Zeit, um sich etwas zu essen zu machen und danach den Spielfilm im Ersten anzusehen. Olli hatte ihr vorgeschlagen, mit ihm und seinen Freunden auszugehen, doch wie so häufig war Leonie nicht in der Stimmung, sich mit einem Haufen Zwanzigjähriger in der Bar Rosso herumzutreiben. Sie fand Ollis Wohngebiet, das Schanzenviertel, zwar ganz interessant, aber irgendwie fühlte sie sich unter den vielen hippen jungen Menschen noch mehr wie ein Landei. Wenn ein flachbrüstiges, magersüchtiges Etwas mit blassem Teint, Zungenpiercing und blutroten Schmolllippen ein Kopftuch trug, sah sie aus wie eine verwegene Piratenbraut. Wenn Leonie den Versuch unternahm, »trendig« auszusehen, glich sie eher einer verkleideten Landpomeranze.
Seufzend setzte sie Nudelwasser auf und starrte auf die tristen Küchenwände.
»Ich sollte wirklich umziehen«, murmelte sie und schälte eine Handvoll Tomaten für ihre Pastasauce. Bei dem Gedanken, eines Tages womöglich unbemerkt in dieser Wohnung sterben zu müssen, schossen ihr Tränen in die Augen. Wenn sie wenigstens eine Katze hätte, die ihr abends Gesellschaft leisten könnte, die schnurrend auf ihren Füßen lag, während sie sich einen Film ansah oder ein Buch las. So wie Minou, die Katze daheim bei ihren Eltern. Morgen kaufe ich das Abendblatt und sehe mich nach einer anderen Wohnung um, beschloss sie, während sie ein großes Bündel Basilikum wusch und zusammen mit Thymian, Oregano und Rosmarin klein hackte. Der Kräutergarten auf der Fensterbank war Leonies ganzer Stolz. Sie legte viel Wert auf gesundes Essen und kochte für ihr Leben gern, am liebsten für viele Gäste. Und noch lieber hätte sie für eine Familie gekocht, aber so wie es aussah, würde sich dieser Wunsch nie erfüllen. Leonie versuchte sich damit zu beruhigen, dass sie schließlich erst sechsunddreißig war und nicht sechsundvierzig. Dann hätte ihr Leben natürlich ganz anders ausgesehen, momentan jedoch hatte sie noch ziemlich viele Chancen. Sie versuchte den kleinen Teufel zu ignorieren, der auf ihrer Schulter saß und ihr hämische Fragen ins Ohr flüsterte. Zum Beispiel, wie sie gedachte, einen Mann kennenzulernen, wenn sie Abend für Abend zu Hause herumsaß. Oder an den Wochenenden zu ihren Eltern ins Alte Land fuhr.
»Selbst schuld!«, schalt sie sich und dachte an Henning, den Mann, mit dem sie seit Kindertagen liiert gewesen war. Immerhin hatte der ihr einen Heiratsantrag gemacht und genau wie sie von vielen Kindern geträumt. Irgendwann allerdings war Leonie die Routine in ihrer Beziehung auf die Nerven gegangen. Es war alles so vorhersehbar gewesen, so überschaubar und langweilig.
Leonie war keine große Abenteurerin, aber sie hatte es gerne romantisch. Sie liebte es, sich in kitschig-schöne Romanwelten zu versenken, deren Heldinnen sich dem Schicksal mutig entgegenstellten und bereit waren, für ihre Liebe zu kämpfen. Sie selbst war meilenweit davon entfernt, es ihnen gleichzutun, was sich auch in ihrem Job bemerkbar machte. Lieber ließ sie sich von den Urlaubserlebnissen ihrer Kunden berichten, als selbst einen Flieger zu besteigen. Doch ihre Vorgesetzte, Doris Möller, erwartete ein gewisses Maß an Reiseerfahrung, das Leonie einfach nicht vorzuweisen hatte. Die Nordfriesischen Inseln, ein Wochenende in Salzburg und gelegentliche Badeurlaube auf den Balearen waren alles, was sie bislang von der Welt gesehen hatte. Aus diesem Grunde hatte ihre Chefin den Bereich »Europa und Fernreisen« an Sandra Koch übergeben und Leonie zu den Städtereisen degradiert. Seit jenem Tag litt sie unter der Situation, denn nun blieben fast nur noch unangenehme Aufgaben an ihr hängen. Dazu gehörten der Telefondienst, der Bundesbahnservice und die Ausgabe von Prospekten. Mittlerweile fühlte sich Leonie restlos unterfordert. Gleichzeitig hatte sie eine beinahe panische Angst vor der launischen, unberechenbaren Doris Möller. Die Situation wurde immer angespannter.
Nachdem Leonie eines Tages, mehr aus Langeweile als aus echtem
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