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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Sachen, sagte meine Mutter.
    – Scheiße!
    Mein Bruder grinste.
    – Na also, sagte meine Mutter, die vorgab, aus der Lokalzeitung vorzulesen. – Bei Caldor’s gibt’s Bettwäsche-Sonderangebote.
    – Herrgott noch eins!
    – Zehn neunundneunzig, fuhr sie fort. – Ein guter Preis.
    Ich wollte auch helfen.
    – Siebzehn lebenswichtige Vitamine und Mineralien, las ich von der Rückseite der Cheerios-Schachtel ab. – Eine ganze Menge, also, das sind ja nicht nur für Frühstücksflocken eine Menge lebenswichtiger Vitamine und Mineralien, das sind auch eine Menge Vitamine und Mineralien, die als lebenswichtig gelten, wenn ihr wisst, was ich meine, dabei denkt man doch gleich, wie zerbrechlich wir …
    – Kacke!
    Meine Schwester sagte nicht sehr viel. Mein Bruder konnte ihr gegenüber gnadenlos levitisch sein, und wenn sie etwas sagte oder machte, piesackte er sie, bis sie weinte. Schweigen wurde zu ihrem Nixon. Statt zu reden, aß sie, und mein Bruder zog sie damit auf und beschimpfte sie als fett.
    – Warum muss ich ihr gegenübersitzen?, fragte er. – Sie ist eklig.
    – Verfluchte Hurenscheiße!
    – Thiamin und Niacin, sagte ich. – Ehrlich, das wäre schon günstig, wenn nur eins davon …
    – Möchtest du nicht mal deinem Vater helfen?, fragte meine Mutter.
    – Haha, triezte mich mein älterer Bruder und schnippte mein Ohr mit dem Zeigefinger.
    – Lass das, sagte meine Mutter. – So schlimm ist er gar nicht.
    Erschreckende Zerstörungsgeräusche drangen aus der Garage, Hämmer, die auf Nägel schlugen, splitterndes Kiefernholz, schwere Eiche, die zu Boden geschleudert und verflucht wurde. Ein Holz-Holocaust. – Nie wieder , stöhnte der Ahorn. – Nie wieder.
    – Hilf du ihm doch, sagte mein Bruder zu meiner Mutter.
    – Was weiß ich denn schon vom Bauen?, antwortete sie. – Und überhaupt, machst du jetzt die Wäsche?
    – Ich mach die Wäsche, erbot ich mich. – Ich mach die Wäsche gern.
    – Schwanzlutscher!
    – Ich mag es nicht, wie du die Handtücher faltest, sagte sie. – Hilf doch deinem Vater.
    – Aber Ephraim will kommen, sagte ich.
    – Der kann auch noch nächsten Sonntag kommen, sagte meine Mutter.
    – Genau, sagte mein Bruder und schnippte wieder mein Ohr. – Ephraim kann nächsten Sonntag kommen.
    Plötzlich tat mir mein Vater leid. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn keiner in der Familie einem helfen würde, einen Toraschrein zu bauen. Wenn alle sich zankten, wer zu einem hinmuss. Wenn alle insgeheim wünschten, die Hand würde einem ausrutschen, wenn man gerade Holz durch die Säge schiebt, und man ins Blatt fallen und tausendfach zerstückelt würde.
    Verfluchter Mist , dachte ich.
    – Okay, sagte ich.
    – Haha, spottete mein Bruder.
    – Guter Junge, sagte meine Mutter.
     
    Schließlich half auch Nixon nicht mehr.
    – Aber ich will die blöde Suppe nicht, sagte mein Bruder.
    – Du isst, was deine Mutter dir gibt, grummelte mein Vater.
    – Bitte, sagte meine Mutter zu meinem Bruder, – versuch doch nur ein bisschen.
    – Gib’s der Fetten da, sagte mein Bruder und zeigte auf meine Schwester.
    – Du isst sie, knurrte mein Vater, – oder du hast sie im Gesicht.
    Ich sprang vom Stuhl, breitete die Arme aus und zog sie schnell wieder an mich. Die Vorstellung begann.
    – Ich bin kein Dieb, sagte ich. – Ich bin kein …
    – Setz dich wieder auf den Arsch, grummelte mein Vater.
    Ich brauchte frisches Material.
    Ich sah in der Sendung mit Dan Aykroyd noch einen anderen Mann. Er hieß Steve, und er hatte einen Pfeil im Kopf. – Ich bin ein wilder, irrer Typ, sagte er. – Ein wilder, iiirrer Typ.
    Alle lachten.
    Ich kapierte es nicht. Und außerdem, selbst wenn ich rauskriegte, wie er den Pfeil durch den Kopf bekam, war es wohl keine gute Idee, eine Waffe an unseren Sabbattisch zu bringen. Das Challamesser machte mir schon Angst genug.
    Also verschüttete ich Sachen.
    Einen Kelch Wein. Ein Glas Mineralwasser. Den Wasserkrug. Die Flasche Borschtsch.
    – Pass bloß auf, was du sagst, verflucht, sagte mein Vater zu meinem Bruder.
    – Selber, antwortete mein Bruder.
    – Bitte, bat meine Mutter.
    – Hoppla, rief ich, als ich mein Glas umkippte.
    Meine Mutter lief nach den Papiertüchern. Mein Vater schnappte die Gebetbücher. Meine Schwester warf sich auf die Kugel-Platte. Jeder machte etwas – auch wenn dieses Etwas Mich-Anschreien war –, aber keiner stritt mehr.
    Es waren bekleckerte Monate. Teller mit gefilte Fisch. Platten mit Hühnern.

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