Eine Zuflucht aus Rosen
auch wenn sie um ihn trauert, hat sie darin Kraft gefunden, für Lettie zu sorgen und für das Kind, das sie unter dem Herzen trägt.“ Jetzt hatte sie den Mut ihn anzuschauen und sie war überrascht, dass er in die Ferne starrte, das Gesicht wie in gefühllosen Stein gemeißelt.
„Ich hatte gehofft beide zu retten“, gestand er ihr und schaute immer noch zum Horizont, ohne dort etwas wahrzunehmen. Aber dann, als hätte er da den Sinn ihrer soeben gesagten Worte begriffen, richtete er abrupt den Blick auf sie. „Lettie erwartet ein Kind?“
Madelyne nickte kurz, auf einmal ganz schüchtern unter seinem forschenden Blick. „So ist es. Vor dem Brand hatte sie es nur vermutet, aber jetzt hat sie es Coria erzählt und gemeinsam haben die Frauen nun gelernt, mit ihrer Trauer umzugehen, indem sie sich auf das kommende Baby vorbereiten.“
„Ich werde ihr eine Kuh und ein paar Hühner schicken lassen“, murmelte er zu sich selbst.
Madelyne wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu und fühlte eher, als dass sie es sah, wie er sich noch tiefer kniete, sich auf die Erde setzte, so dass die Zehenspitze seines Stiefels fast ihren Rock streifte. Was er hoffte mit seiner Gegenwart hier auszurichten, wusste sie nicht, also drehte sie sich – erkühnt – zu ihm und fragte ihn. „Mylord, gibt es etwas, was ich für Euch tun kann?“
In dem Moment, als sie das sagte, streckte er die Hand aus und fing eine widerspenstige Locke ihres Haares ein, die er ihr hinter das Ohr steckte. Madelyne erstarrte, das Herz klopfte ihr wild in der Kehle, als seine Finger ihr Ohr streiften und ihre Wange. „Nein.“ Dieses eine Wort wurde sanft von der Brise getragen und hing einen Moment dort, bevor er wieder ansetzte. „Ich wollte nur die Ruhe des Gartens aufsuchen und die Gelassenheit Eurer Gegenwart. Nach einem Tag, der vieles mit sich brachte.“
Völlig durcheinander zwang Madelyne sich zu ihrem Unkraut und dem Jäten zurückzukehren. Was meinte er nur damit? Sie war sich seiner Gegenwart immer noch überaus bewusst und spürte, wie er sich streckte und einen weiteren Stängel Minze pflückte, und roch die frische Schärfe des Duftes, als er darauf kaute.
„Ihr zieht es vor, draußen zu sein“, merkte Lord Gavin mit einer tiefen, nachdenklichen Stimme an.
„Ja. Es ist der beste Ort, um sich an der Welt, die Gott uns schenkte, zu erfreuen. Die frische Luft zu atmen, Freude an seinen Geschöpfen zu finden und an den grünen Dingen, die er erschuf...“ Madelyne blickte kurz zu ihm hin, dann rasch wieder zurück zu dem Klumpen Oregano, der inmitten der Minze wuchs. „Selbst wenn es dort wächst, wo es nicht unserem Wunsch entspricht“, fuhr sie fort und zeigte auf den Oregano, als sie ihn aus der Erde zog. „Man muss innehalten und Dank sagen.“
Lord Gavin sah sie auf eine Art an, die ihr das Gefühl gab, er habe sie noch nie zuvor wahrgenommen. „Und ich–das ist etwas woran ich selten denke, es zu tun. Die Zeit, die ich auf dieser Welt habe, bringe ich auf dem Rücken eines Pferds zu, oder mit einem blutigen Schwert in der Hand ... und selten habe ich einen friedlichen Moment wie diesen hier ... die Minze zu riechen und die aromatischen Blätter des Rosmarin zu berühren.“
Es folgte für einen recht langen Moment wieder ein Schweigen und gerade als sie ansetzen wollte, etwas zu sagen, erreichte sie das Geräusch von polternden Schritten, die den Gartenpfad entlang auf sie zukamen. Sie und Lord Gavin blickten auf und sahen Jube, in Begleitung von Tricky und Clem, auf sie zueilen.
„Mylord, ein Schreiben des Königs“, verkündete Clem, der ein Pergament in den Händen hielt, an dem das rote Siegel des Königs zu sehen war.
Lord Gavin nahm das Schreiben entgegen und brach das Siegel auf. Auf die Stücke von rotem Siegelwachs, die auf die Erde krümelten, achtete er gar nicht. „Wartet der Bote auf eine umgehende Antwort?“, fragte er, als er das Papier auffaltete.
„Ja. Er soll bei uns zu Abend essen, aber nur heute Nacht hier bleiben und dann mit Eurer Antwort zum König zurückkehren.“
Madelyne beobachtete, wie er den Brief überflog und sah, wie sein Gesicht erstarrte und wieder zu der harten Maske wurde, die ihr vertraut war. Jede Spur der Gelassenheit war aus seinen Zügen gewichen und als er hochblickte, hatten sich selbst seine dunklen Augenbrauen zu einem finsteren, schwarzen Strich verdichtet. Er sah sie an und seine Augen waren kalt und ausdruckslos. „Der König verlangt Euer Erscheinen an seinem
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