Eine Zuflucht aus Rosen
Durchgang zu ermöglichen, herein oder hinaus. Hätten sie diesen Eingang nur hinter sich, würden sie der Freiheit näher sein, als Maddie es sich je erträumt hatte.
Sie folgte ihrer Mutter mit unendlicher Erleichterung, als sie durch die Öffnung hinaus schlüpfte und sich dann eng an die Mauern der Burg gedrückt wiederfand, wo sie zu einem Viertelmond und einem sternenübersäten Himmel hinaufblickte.
„Gelobt sei die Jungfrau“, murmelte Anne und während sie das kleine Paket etwas zurechtschob, das sie unter ihrem Umhang bei sich trug, ergriff sie erneut die Hand ihrer Tochter.
Der Gang über den Burghof zum Seiteneingang, wo Sir Seton de Masin als Wachtposten stand, war nur kurz. Am Rand des Hofes, in den das Mondlicht sich zu einem hellen Teppich ergoss, der den Eingang wie einen Kreis aus silbrigem Licht umfloss, hielten sie an. Madelyne stand auf der einen Seite, während ihre Mutter mit gedämpfter Stimme mit dem rothaarigen Mann sprach. Sie versuchte den bitteren, aber entschlossenen Gesichtsausdruck des Ritters zu ignorieren, als der die Hände ihrer Mutter in die seinen nahm. Und Madelyne wandte den Blick ab, als Anne ihr Gesicht nach hinten neigte, damit der Mann ihr einen Kuss auf die Lippen pressen konnte.
Es war kein sanfter, kein friedfertiger Kuss.
Die leisen Worte ihrer Mutter wurden ungewollt laut, als sie dem Mann, der ihnen zur Flucht verholfen hatte, offensichtlich sehr aufgewühlt Lebewohl sagte. „Gott sei mit Euch, Seton“, sagte sie und Madelyne sah, wie sie mit ihrer Hand das Gesicht des Mannes streichelte. Dann, als könnte sie seinen Anblick nicht länger ertragen, wandte Anne sich ihrer Tochter zu und ergriff erneut deren Hand.
Die Tür, schwer wegen der dicken Holzbretter und der Gitter aus Eisen sowie der Eisenbeschläge, öffnete sich gerade weit genug, um die zwei Gestalten hindurchschlüpfen zu lassen.
„Lebewohl, Liebste“, Setons Stimme schwebte sacht auf der nächtlichen Brise zu ihnen. „Gott sei mit Euch.“
Eins
Zehn Jahre später
Wenn sie nicht bald Zuflucht fanden, würden sie sterben.
Diese Erkenntnis war sein einziger Gedanke, betäubte ihn sachte, während das Blut aus seinen Wunden sickerte. Er wäre nicht unwillkommen, der Tod, dachte Gavin sich. Das Einzige, was er bedauern würde, wäre, dass es ihm nicht gelungen war, Fantin de Belgrume mitzunehmen.
Regen strömte nur so vom grauen Himmel herab, Donner grollte laut und allmächtig und sein Körper wurde wider Willen von ständigem Schüttelfrost gebeutelt. Der Geruch von Blut und Stürmen und Tod verfing sich in seiner Nase. Müdigkeit überkam ihn wie von hinterrücks und seine Augenlider waren wie aus Blei.
„Gavin!“
Beim Klang seines Namens, dringlich gerufen, stahl sich die Ruhe aus ihm fort und er zwang sich dazu, sich im Sattel aufrecht hinzusetzen. Das Verlangen zu sterben, war auf einmal entschwunden – der dunkle Moment war vorüber – und zurück blieb als oberster Gedanke die Verantwortung, die er für das Wohlergehen seiner Ritter trug ... und die Bitterkeit der Rache, die in seinem Herzen brannte.
„Gavin, seht nur! Dort! Da ist ein Tor!“ Thomas de Clervorne wies mit seinem blutigen Schwert dorthin. Ihnen war nicht einmal die Zeit geblieben ihre Waffen zu säubern, dachte Gavin verbittert.
Er drehte sich im Sattel um, presste seinem Schlachtross Rule die Knie in die Flanken und spähte durch den dicht fallenden Regen: eine große Mauer aus Stein und mittendrin ein schweres Tor.
„Zu mir her! À moi! “, brüllte Gavin und die Männer, deren Anführer er war – und die lediglich zehn an der Zahl anstatt der fünfzig waren, mit denen er ausgezogen war –, wiesen ihre müden Rösser daraufhin an, ihm zu folgen. Thomas war bereits am Tor angelangt und zog an dem Seil, das dort herabhing, während sie sich um ihn scharten.
Der hohle Klang von Glockengeläut hallte wider, das Geräusch gespenstisch und verzerrt im Regen. Die Männer warteten, ihre Pferde scharrten und schnaubten freudig bei der Aussicht auf Futter und Ruhe. Gavin schwindelte es im Kopf, weil ihm das Blut weiterhin seitlich an der Brust runter rann – die einzige Quelle von Wärme hier, außer der von Rule zwischen seinen Beinen.
„Kennen die da drinnen denn gar kein Erbarmen?“, knurrte Thomas, der noch einmal, aber kräftiger an dem Seil zog, und wieder erklang die Glocke.
Schließlich, als Gavin sich schon anschickte diejenigen, die jenseits des Tores wohnten, wegen ihrer Unmenschlichkeit
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