Eines Abends in Paris
die Theke, wechselte ein paar Worte mit dem Barkeeper und bedeutete mir, ihr zu folgen.
Es kostete mich einige Überzeugungskraft, die Frau mit dem dunklen Haarknoten von meiner Ehrenhaftigkeit zu überzeugen und ihr die für mich so wichtige Adresse zu entlocken. Zusammen mit dem Versprechen, dass sie ihre Freundin unter keinen Umständen vorwarnen sollte.
In dem viertelstündigen Gespräch, das leise und erregt in einer Sitzgruppe geführt wurde, die nur wenige Meter von der Hemingway-Bar entfernt war, stellte sich nämlich sehr bald heraus, dass der Name Alain Bonnard in den Ohren von Linda Leblanc keinen guten Klang hatte. Mélanie hatte ihrer Freundin zwar verschwiegen, dass die Schauspielerin Solène Avril ihre Schwester war, aber dass sie selbst sich rettungslos in den Kinobesitzer des Cinéma Paradis verliebt hatte und dieser sich unerhörterweise nur wenige Tage nach dem ersten Rendezvous mit einer anderen eingelassen hatte, das hatte sie ihrer Freundin dann doch erzählt.
»Mélanie hatte mir schon seit Wochen in den Ohren gelegen. Immerzu redete sie von diesem unglaublich netten Kinobesitzer, den sie sich nicht traute anzusprechen. Ich habe mich so gefreut, als dieser Stoffel dann endlich sie angesprochen hat … oh, verzeihen Sie.«
»Schon gut«, sagte ich. »Erzählen Sie weiter.«
Linda war am Tag nach meiner Verabredung mit Mélanie in die Wohnung in der Rue de Bourgogne zurückgekehrt, wo ihre Freundin sie mit einem glänzend gelaunten Kater, einem Frühstück und großartigen Neuigkeiten erwartete.
Ich hatte noch gut Mélanies unentschlossenen Blick vor dem Hauseingang in Erinnerung, dieses Zögern, das mich für einen Augenblick hoffen ließ, sie würde mich fragen, ob ich noch mitkommen wolle. Doch es war nicht ihre Wohnung gewesen. Und am nächsten Morgen sollte die Freundin von ihrer Reise zurückkommen. So hatte Mélanie mich mit leisem Bedauern unten im Hof verabschiedet. Und ich hatte ihre Spur verloren.
»Als sie dann eine Woche später aus Le Pouldu zurückkam, war sie am Boden zerstört«, fuhr Linda fort. »Alles war aus, der Kinobesitzer hatte eine andere. Das hat sie jedenfalls gesagt. Wie hätte ich vermuten sollen, dass ihr ganzes Unglück nur auf so einem dummen Zeitungsartikel basierte? Und irgendwelchen traumatischen Erfahrungen, die sie als Mädchen mal gemacht hatte. Sie hat es so dargestellt, als ob es eine Tatsache wäre, dass man sie betrogen hätte. Jedenfalls saß sie schluchzend auf meinem Sofa und sagte, sie würde niemals mehr einen Fuß in dieses verdammte Kino setzen.«
Linda schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich habe noch versucht, mit ihr zu reden, habe gemeint, sie solle versuchen, die Sache direkt mit Ihnen zu klären. Aber sie hat immer nur gesagt, sie wisse schon, wie das ausgehen würde. Das alles hätte sie schon einmal erlebt. Sie war völlig verstört, und ich hielt es für das Beste, nicht weiter in sie zu dringen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass Solène Avril ihre Schwester ist. Ich wusste ja nicht einmal, dass sie überhaupt eine Schwester hat! Mélanie redet nicht gern über die Vergangenheit.«
Linda sah mich an und zuckte mit den Schultern.
Natürlich hatte sie noch lebhaft in Erinnerung, wie Solène Avril zusammen mit Allan Wood in die Hemingway-Bar gekommen war. Sie meinte sich sogar an mich zu erinnern.
Erst später hatte sie dann in der Zeitung darüber gelesen, dass Allan Wood im Cinéma Paradis Szenen seines neuen Films drehte. Doch sie hatte wie wir alle die Zusammenhänge nicht begriffen und war davon ausgegangen, dass der ungetreue Kinobesitzer Alain Bonnard, dessen Kino in der Presse des Öfteren Erwähnung gefunden hatte, mit irgendeiner anderen Frau ins Bett stieg.
»Meine Güte, ist das alles kompliziert«, sagte sie, als sie mir am Ende unseres Gesprächs eine Adresse im achten Arrondissement unweit des Pont Alexandre III aufschrieb.
»Mélanie liebt diese Brücke so sehr, dass sie manchmal zu Fuß zur Arbeit geht, nur damit sie einen Moment an der Brüstung stehen bleiben kann. Wissen Sie das eigentlich?«
Ich nickte. »Ja, sie hat bei unserm ersten Treffen schon vom Pont Alexandre erzählt.«
Linda lächelte. »Was ich damit sagen will: Mélanie ist ein ganz besonderes Mädchen. Sehr eigenwillig. Und sie ist so verletzlich. Sie müssen mir versprechen, dass Sie sie glücklich machen.«
»Nichts lieber als das«, sagte ich. »Wenn ich sie nur erst einmal zu Gesicht bekäme.«
»Eigentlich hätten Sie ihr bei Ihren
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