Einfach Freunde
fürchten sollte! Wenn die Tüten doch genau in meiner Reichweite hingen und die Bonbons auch, musste ich zwangsläufig zugreifen, oder? Dafür waren die Karamellstangen, Schaumerdbeeren, PEZ -Spender mit Mickymaus, Goldorak, Captain Harlock schlieÃlich da, das fand ich wirklich â¦
Der Polizist würdigt mich kaum eines Blicks, sondern führt mich in ein Büro und stellt mich zwei Kollegen vor.
»Der Leiter vom Prisunic hat ihn dabei erwischt, wie er die Regale plünderte.«
Sofort melde ich mich zu Wort.
»Nicht die Regale! Bloà neben der Kasse, da, wo die Bonbons sind!«
Die beiden anderen lächeln nachsichtig. Damals konnte ich nicht wissen, dass ich von dieser Seite nie wieder so freundliche Blicke ernten würde.
»Magst du Bonbons?«
»Na klar.«
»Na klar ⦠Künftig bittest du aber deine Eltern, dir welche zu kaufen, einverstanden?«
»Ja ⦠Einverstanden.«
»Findest du allein nach Hause zurück?«
Ich nicke.
»Sehr gut. Dann ab mit dir.«
Ich stehe schon im Türrahmen, als ich sie über den Supermarktleiter witzeln höre.
»Hat der im Ernst geglaubt, dass wir den Knirps ins Gefängnis werfen?«
Ich bin der Beste. Ich habâs geschafft, klammheimlich drei Schokoschaumbären einzustecken. Bevor ich den ersten vernasche, biege ich um die StraÃenecke. Mein Mund ist noch voll, als ich die Haustür erreiche. Dort stoÃe ich auf meinen Bruder, der mit Mama vom Einkaufen kommt. Er schöpft auf Anhieb Verdacht.
»Was isst du?«
»Ein Bärchen.«
»Und woher hast du das Bärchen?«
»Hab ich geschenkt bekommen.«
»Glaub ich dir nicht.«
Ich strahle ihn an. Mit kakaoschwarzen Zähnen, logo.
4
Die Franzosen legen ihre Kinder an die Leine. So sind die Eltern beruhigt. Sie haben die Situation im Griff ⦠Das bilden sie sich jedenfalls ein. Ich beobachtete sie jeden Morgen vor der Schule. Sie führten ihren Nachwuchs an der Hand bis zum Schultor und feuerten ihn mit ihren dämlichen Floskeln an.
»Sei schön fleiÃig, mein Schatz, sei brav!«
Die Eltern dachten, das würde ihre Kinder ausreichend für den harten Ãberlebenskampf auf dem Schulhof wappnen, demselben übrigens, auf dem man sie selber dreiÃig Jahre zuvor schikaniert hatte. In Wahrheit schwächten sie ihre Kinder nur.
Um im Kampf zu bestehen, muss man ihn erprobt haben. Besser früher als später.
Ich war stets der Kleinste, nicht gerade der Kräftigste, aber ich griff immer als Erster an. Und gewann jedes Mal.
»Gib die Murmeln her.«
»Nein, die gehören mir.«
»Gib schon her.«
»Kommt nicht in Frage!«
»Sicher?«
»⦠Ist ja gut! Hier hast du die Murmeln â¦Â«
Der Unterricht interessierte mich kein Stück, vor allem, weil man uns wirklich wie die Deppen behandelte. Es hieà doch »Den Yamine in Ehren halten«. Wie sollte ich mich da als Witzfigur vor der ganzen Klasse hinstellen und einen vom Frosch und vom Ochsen erzählen? Das war nur was für Mädchen.
»Abdel Yamine, hast du deinen Text nicht auswendig gelernt?«
»Welchen Text?«
»Die Fabel von La Fontaine, die ich dir für heute aufgetragen hatte.«
»Ich hab nur Gabel verstanden.«
»Bravo! Monsieur versteht sich aufs Reimen.«
»Ist mir lieber als Schleimen.«
»Raus mit dir, Sellou â¦Â«
Ich lieà mich gern aus dem Unterricht werfen. Diese Strafe, vom Lehrer als gröÃtmögliche Demütigung gedacht, erlaubte mir schlieÃlich, mich in aller Ruhe auf Beutezug zu begeben. Wer immer die Pariser Schulen erbaute, hatte entweder nicht bedacht, dass dort eines Tages ein böser kleiner Abdel eindringen würde, oder er hatte beschlossen, ihm die Arbeit zu erleichtern: Die Mantelhaken hängen drauÃen vor der Klasse, im Flur! Und was steckt in den Manteltaschen? Ein oder zwei Francs, an guten Tagen sogar fünf, ein Yo-Yo, Kekse, Bonbons! Es konnte mir nichts Besseres passieren, als vor die Tür gesetzt zu werden â¦
Ich stellte mir vor, wie die anderen Kinder abends heulend nach Hause kamen.
»Ich weià nicht, wie das passieren konnte, Mama, aber mein Franc-Stück ist verschwunden â¦Â«
»Du warst also wieder einmal schlampig. Von mir bekommst du kein Geld mehr!«
Von wegen, beim nächsten Mal gibtâs doch wieder welches, und die nächste Beute des
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