Einfach hin und weg
aber bei dem Regen macht mir dort niemand die Türe auf. Es geht weiter durch Melide, einem trostlosen Städtchen mit nur 8.000 Einwohnern aber ausgedehnten Industriegebieten. Zwischen Melide und Arzúa wird ein Stück des Weges zu einem kleinen Fluss. Das Wasser kann aufgrund der Mauern rechts und links nicht ablaufen und gräbt sich sein Bett dort, wo eigentlich Pilger die letzten Kilometer bis Santiago laufen. Spitze Steine machen es zu gefährlich, barfuß zu gehen, die Schuhe sind sowieso nass. Augen zu und durch, heißt die Devise, auch wenn das Wasser oben in die Stiefel läuft. Was soll's. Die bereits vorher feuchten Socken kann man jetzt auswringen. Auch Goretexmaterial hat seine Grenzen.
Jemand versucht, den Fluten ein Schnippchen zu schlagen und über die nach oben schräg werdende Mauer zu balancieren. Nach 10 Metern stürzt er ab, landet in dem sich bildenden Wildbach und hat keinen trockenen Faden mehr am Leib und im Rucksack.
Die gefühlte Temperatur schwankt in etwa um den Gefrierpunkt. In Wirklichkeit mag es 10° sein. Der starke Wind macht das Wandern äußerst unangenehm. Das langärmelige Hemd von Stefan ist feucht im Rucksack und in Arzúa kaufe ich mir als erstes einen Pullover.
Die Herberge ist erst vor kurzem eröffnet worden und verfügt über eine Waschmaschine und einen funktionierenden Trockner. Beides nutze ich sofort aus.
Ich gehe mit Alice essen und wir treffen, welch ein Zufall, Sandra und Manel, den spanischen Feuerwehrmann aus Barcelona. Manel war schon bis kurz vor Santiago, wollte Sandra unbedingt sehen und ist mit dem Taxi bis Arzúa zurückgefahren. Es gibt bestimmt 50 Restaurants im Ort und wir suchen uns dasselbe aus. Die Freude ist riesig auf allen Seiten. Es gibt keine Zufälle!
20.06.2007 Arzúa – Salceda – Santa Irene - Ferreiros
Der vorletzte Tag. Alice und ich haben uns in Salceda verabredet, wo wir Pedro und Rosa, seine Freundin treffen wollen. Rosa hat dort eine kleine Bar für die Pilger und es liegt direkt auf unserem Weg. Es ist fast Mittag und wir bekommen eine kräftige pikante Bohnensuppe spendiert. Pedro macht mir noch einen Anhänger aus einem Caminostein und wir kommen erst nach einigen Stunden fort. Der Vorteil ist, dass wir alleine wandern können, da der Pilgerstrom abgeebbt ist.
Ich überlege, ob ich nicht heute bis Santiago laufen soll. Es sind dann zwar alles in allem 45 km, aber dann komme ich abends alleine an und nicht morgens mit dem großen Strom.
Die Ankunft will ich voll auskosten! Ich lasse es drauf ankommen und überlasse es der Tagesform, ob es klappt oder nicht. Kurz vor dem Ziel scheint es, als ob mir Flügel wachsen.
Vor lauter Flügeln und Gedanken gehe ich an gelben Pfeilen vorbei in die falsche Richtung und habe mich zum ersten Mal richtig verlaufen. Ich denke, ich weiß wo ich bin, möchte den Weg nicht zurückwandern und versuche eine Abkürzung. Gehe wieder in die falsche Richtung und laufe circa 1 ½ Stunden im Wald herum bis ich wieder herausfinde. Das habe ich davon, dass der Pilgerstrom abgeebbt ist. Kein Mensch zu sehen, den ich fragen könnte.
Endlich erreiche ich eine kleine Straße, halte das erste Auto an und die Fahrerin erklärt mir bereitwillig den Weg und bietet mir sogar an, einzusteigen. Ich lehne dankend ab.
Zwischendurch hat es natürlich wieder einmal kräftig geregnet, und ich bin halb aufgeweicht.
Der Umweg von 8 km hat mir gereicht und ich bin nicht mehr in der Lage, bis Santiago zu laufen.
Vor 9 Uhr wäre ich sicherlich nicht dort und ich zweifele, ob ich dann noch ein Zimmer bekommen würde.
10 km vor dem Endziel durchquere ich ein Dorf mit ein paar Häusern inklusive einer Privatherberge mit angeschlossenem Restaurant. Eigentlich will ich nur etwas essen und trinken, ich bin hungrig und durchgefroren. Ich habe unterwegs, als es von oben nur so schüttete, von einer Badewanne geträumt, voll mit heißem Wasser und duftendem Schaum.
Nach Speis und Trank werde ich etwas müde, immerhin habe ich auch heute schon 34 km hinter mir und frage doch nach einem Zimmer. Es gibt eine komplette Wohnung, in der noch ein Zimmer frei ist und die ich mir mit zwei anderen Pilgern teilen kann. Preis €15.-
Ich schaue mir die Behausung an, gehe in das Badezimmer und finde — eine große Badewanne, die sogar über einen Stopfen im Ablauf verfügt!! (In vielen spanischen Hotels wird der Gummistopfen einfach weggenommen, um die Gäste zum Duschen zu zwingen. Ein Bad verbraucht mehr Wasser und
Weitere Kostenlose Bücher