Einfach hin und weg
dem Jakobsweg kennenlernte. Die sitzen jetzt irgendwo in einer gemütlichen Herberge zusammen. Ich beneide sie und schwöre mir, bis zum Ende der Reise nie wieder alleine in einem Hotel zu übernachten.
18.06.2007 Hospital da Cruz - Palas de Rei - San Xulian
Nach der furchtbaren Nacht und einem noch furchtbareren Frühstück fühle ich mich elend. Natürlich regnet es mal wieder und meine Kleider sind in der kalten Muffbude auch nicht getrocknet. Feuchte durchschwitzte Klamotten auf der Haut sind nicht gerade das, was man sich am frühen Morgen wünscht. Wäre gerne mit Alice zusammen, aber sie hat anscheinend irgendwelche Probleme und will alleine laufen. Auch gut. Sie will unbedingt ihren Flug nach Mallorca, wo sie noch ein paar Tage Urlaub anhängen will, umbuchen. Und sie will die Ergebnisse ihrer Zwischenprüfungen an der Uni im Internet abfragen. Ganz schönes Unterfangen, mitten in der Prärie Galiciens ein Internetcafé zu finden. Irgendwann hat sie es doch geschafft, wartet auf mich und verkündet mir strahlend ihre tollen Resultate.
Zwischen San Xulian und Casanova, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, finde ich eine wunderbare Herberge mit angeschlossenem Restaurant. Genau das richtige nach 20 km im Regen. Ich miete mich sofort ein, Alice will weiter bis Melide, einer größeren Stadt mit mehr Restaurants und Geschäften.
Der Aufenthaltsraum hier ist geheizt mit einem Holzofen. Angenehme Wärme und ich stelle mich lange mit dem Rücken und dann mit dem Bauch vor das Feuer, bis sich die steifen Muskeln wieder bewegen lassen. Wenige Minuten später kommt Sandra, die Schweizerin, die ich schon mehrere Tage nicht gesehen hatte. Irgendwann begegnet man sich immer wieder. Heute morgen habe ich Cameron, den Fruitpicker in Airexe nach 14 Tagen wiedergesehen und John mit seiner Tochter Mali, alle am gleichen Tag wie ich in Saint-Jean-Pied-de-Port aufgebrochen.
Die Leiterin der Herberge kocht selbst und setzt uns ein ausgezeichnetes Abendessen vor. Dazu einen tollen Wein.
Das Herdfeuer tut sein Übriges dazu, die Atmosphäre noch zu verschönern. Wir sitzen mit 12 Personen an einem großen Tisch. Zwei Ungarn, zwei Österreicher, zwei Franzosen, eine Schweizerin, ein Brasilianer, ein Mexikaner, ein Amerikaner und zwei Deutsche.
Wir amüsieren uns über die Gesprächsstoffe unter Pilgern.
Die während der ersten Etappen meist gestellten Fragen waren die nach Nationalität, Herkunft, Alter, Beruf und wie weit man zu gehen gedenkt.
Jetzt wird sich meist nach dem Befinden der Blasen und Füße erkundigt und wo die nächste Unterkunft mit einem Wäschetrockner zu finden ist. Der Rest ist schon bekannt.
Ein beliebtes Thema ist die Frage nach den Beweggründen und dem Warum der Reise. Irgendwann geht es jedem auf den Senkel, wenn einen unbekannte Menschen Löcher in den Bauch fragen. Ein Belgier erfand die Geschichte, er sei katholischer Priester und habe sich in den verheirateten Organisten verliebt. Er erzählte das überzeugend und jeder glaubte ihm. Kann ja schließlich passieren! Es werden Stories erdichtet, an denen Münchhausen seine helle Freude gehabt hätte und sie kursieren immer wieder aufs Neue.
Ja, man muss überzeugend wirken. Im Beutel hatte ich 8 bunte Wäscheklammern. Eines Morgens klemme ich mir die im Waschraum an Ohren, Nase und Wangen. Jeder schaute mich fragend an und dann erzählte ich, dass dies eine neue Form von Akupunktur sei, die gegen Schmerzen an den Füßen und gegen Blasen hilft. Ein paar schauten ungläubig, aber durchaus interessiert.
Während unserer Unterhaltung geht die Türe auf und Alice platzt in die Runde. Alle sind verdutzt, aber ihr hat Melide nicht gefallen, nichts im Vergleich zu dieser Herberge und da hat sie sich ein Taxi genommen und ist zurückgekommen. Wir sind alle ganz schön ausgelassen an diesem Abend, erzählen Witze und massieren uns gegenseitig die Füße.
Es wird lockerer, die Vorfreude auf Santiago ist spürbar.
19.06.2007 San Xulian – Melide – Ribadiso –Arzúa
Sämtliche Regenwolken der Welt scheinen sich über uns zusammenzutürmen. Ich warte eine geraume Zeit, dass die Fluten nachlassen, aber sie geben mir keine Chance. Da ich übermorgen in Santiago ankommen will und auch weiterhin auf den Bus verzichte, muss ich irgendwann in den sauren Apfel beißen. Einen schwarzen Müllsack über Anorak und Brotbeutel ausgefaltet stürze ich mich in die Fluten. In einem Ort namens Casanova will ich den Stempel der Herberge ergattern,
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