Einfach mehr Charisma
dafür mit ihrer Aufmerksamkeit.
Die Aufmerksamkeitsspanne, also jener Zeitraum, für den jemand bereit ist, sich mit etwas zu befassen, ist sehr kurz, nur wenige Sekunden, in denen der andere davon überzeugt werden muss, dass es sich für ihn lohnt, sich einer Sache zuzuwenden. Leider trifft das auch mehr und mehr auf die zwischenmenschliche Kommunikation zu. Wer nicht in kürzester Zeit seine Botschaft auf den Punkt gebracht hat, muss damit rechnen, dass das Gegenüber ungeduldig und unaufmerksam wird, sich von etwas oder jemand anderem ablenken lässt oder sich sogar abwendet. Unsere SMS-Kultur reduziert viele Kommunikationsvorgänge auf kürzeste Meldungen, in 140 Zeichen verpackt, und dies verändert auch unsere Bereitschaft und Fähigkeit, sich länger mit einer Sache zu befassen. Dies mag man zu Recht bedauern, aber es ist eine unumkehrbare Entwicklung, mit der man besser umzugehen lernt als sich ihr zu entziehen.
Den Vergleich mit der leuchtenden Blüte und ihrer Strahlkraft habe ich nicht von ungefähr gewählt. Denn das Mauerblümchen mag noch so intelligent und gebildet sein, noch so viel zu seinem Fachgebiet wissen, bis es das zeigen und beweisen darf, ist es zu spät. Die leuchtende Blüte wird mit ihrer gewinnenden Ausstrahlung schneller sein und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bevor das Mauerblümchen mit Inhalten punkten kann. Denn was bestimmt unsere Wirkung?
Zu 60 Prozent die äußere Erscheinung und die Körpersprache.
Zu 33 Prozent die Augen und die Stimme.
Und zu lediglich 7 Prozent der Inhalt.
Die Körpersprache drückt sich in der Körperhaltung, dem Stand, der Stellung der Füße, den Gesten mit den Händen, der Schulterhaltung und der Kopfhaltung aus. Die Augen wirken durch den Lidschlag, durch die Größe der Pupillen und durch den Augenkontakt beim Zuhören und beim Sprechen. Die Stimme wirkt über die Stimmlage (hoch/tief), über die Pausen, das Sprechtempo, die Melodie und über die Sprache, zum Beispiel über die Satzlänge und die Artikulation. Wie etwas gesagt wird, ist wichtiger als was gesagt wird. Was gesagt wird, folgt dabei den unterschiedlichen Intentionen des Sprechers: Das kann Ansprache, Lob, Zustimmung oder bedingte Zustimmung sein, er möchte die Zuhörer abholen, ihre Zustimmung einholen oder Zustimmung äußern, er formuliert vielleicht einen prägnanten Schlusssatz, mit dem er zur Handlung auffordert und dem alle zustimmen sollen.
Die Verpackung spielt also eine größere Rolle als der Inhalt. Und sie muss zur eigenen Rolle und zur Erwartung des anderen passen. Sehen Sie sich die Gewichtung noch einmal an – 60 Prozent Körpersprache und Erscheinung, 33 Prozent Augen und Stimme, 7 Prozent Inhalt. Dies kommt in unglaublich vielen Situationen, in denen Sie sicher auch immer wieder stehen, zum Tragen. Bewerbungsgespräche, Verkaufsverhandlungen, Präsentationssituationen, gesellschaftliche Anlässe im beruflichen wie privaten Zusammenhang: Das, was Sie sagen, ist nur zu einem sehr geringen Teil dafür verantwortlich, wie Sie ankommen und abschneiden. Und bis Sie überhaupt dazu kommen, etwas zu sagen, vergehen wertvolle und wichtige Sekunden, die Sekunden, in denen etwas sehr Mächtiges in Ihrem Gegenüber entsteht: der erste Eindruck.
Unsere moderne Welt ist geprägt von Bildern und Botschaften, die von früh bis spät unsere Aufmerksamkeit gewinnen wollen. In unglaublichen Mengen dringen diese Informationen an unsere Sinnesorgane, die permanent ans Gehirn senden und dieses zu ständigen Höchstleistungen zwingen, in Sekundenbruchteilen zu erkennen, ob das, was da heranflutet, gut, interessant, wichtig für uns ist. Die Entscheidung, wie wir eine Botschaft einordnen, fällt in einem sehr komplexen, unbewussten Prozess in wenigen Sekundenbruchteilen. Der amerikanische Autor Malcolm Gladwell hat dafür einen Begriff erfunden: Blink. Er beschreibt in seinem gleichnamigen Buch den sogenannten „Implicit Association Test“ (IAT), der von Wissenschaftlern entwickelt wurde, um zu ermitteln, wie wir Namen, Begriffe und Bilder von Personen aufgrund unserer Vorerfahrungen in Sekundenbruchteilen assoziativ zuordnen. In einer der Stufen des Tests sind zum Beispiel Bilder von Menschen mit weißer und schwarzer Hautfarbe bestimmten Eigenschaften zuzuordnen. Und selbst dem Autor, der den Test auch durchführte, fiel es leichter, die weiße Hautfarbe mit „gut“ zu assoziieren als die schwarze Hautfarbe. Dabei ist er als Kind einer Jamaikanerin selbst dunkelhäutig. Gladwell
Weitere Kostenlose Bücher