Einfach mehr Charisma
erschüttert wurde. Hillary Clinton weinte während des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA vor laufenden Kameras Tränen der Enttäuschung und wurde dafür mit Sympathiepunkten belohnt.
Der Sozialpsychologe Ronald Riggio stellt fest: Ein charismatischer Mensch hat eine starke emotionale Ausdrucksfähigkeit, artikuliert seine Gefühle auf eine Weise, die Zuhörer anspricht, begeistert und zum Handeln motiviert. Charismatische Menschen sind gefühlvolle Menschen. Sie stehen zu ihren Emotionen und können diese auch ausdrücken. Dabei ist die Wirkung umso größer, je stärker und glaubwürdiger die Emotionen sind. Gerade Emotionen, die von Herzen kommen, finden den Weg mitten in die Herzen der Menschen. Mehr noch: Die Menschen sehnen sich nach mehr Gefühl, und wenn ihnen ein Weltstar wie Robbie Williams auf der Bühne versichert, wie lieb er sie hat, dann kreischen die Fans in Ekstase.
Zeigt jemand Gefühle, wirkt er menschlich. Es ist dann leichter, sich mit ihm zu identifizieren. Kommen die Gefühlsbezeugungen aufgesetzt hinüber, schadet es der Wirkung, da es unglaubwürdig wirken kann. Die erwähnten Tränen von Hillary Clinton wurden beispielsweise in den Medien weltweit hinterfragt und analysiert. Der angeblich so „kalte Fisch“ Hillary wurde des kalkulierten Schluchzens bezichtigt, mit dem sie das Ruder im Wahlkampf um die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin herumreißen wollte. Und die Fernsehrede der Queen zum Tod von Lady Di wirkte als das, was sie war: eine emotionslos dargebrachte Pflichtübung, um das Image der Monarchie zu retten. Ganz anders hingegen die Rede Barack Obamas am 4. November 2008 in Chicago anlässlich seines Wahlsieges. Er zeigte seine Freude und seinen Stolz über das Erreichte und bedankte sich bei seiner Familie, seinen Helfern und Unterstützern und seinen Wählern mit den Worten: „Aber darüber hinaus werde ich nie vergessen, wem dieser Sieg wirklich gehört: Er gehört Euch. Er gehört Euch!“
Charismatische Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, welche Gefühle sie mit den Menschen teilen sollten und welche nicht. So werden sie ihre Mitmenschen nicht täglich mit ihren aktuellen Gefühlsschwankungen behelligen, sondern sehr genau überlegen, was angebracht und angemessen ist. Als Gerhard Schröder im Kanzlerduell 2005 seiner Frau Doris öffentlich eine Liebeserklärung machte, gewann er das Duell für sich.
Charismatische Menschen empfinden Emotionen sehr stark, und sie sind in der Lage, auch andere Menschen diese Gefühle stark empfinden zu lassen, so der britische Psychologe Richard Wiseman. Ob Freude oder Trauer, solche Gefühle wirken immer ansteckend und vertiefen die Bindung zu den Menschen.
Wie ansteckend Gefühle sind, haben Joyce Bono und Remus Ilies untersucht. Sie fanden heraus, dass charismatische Führungskräfte deutlich mehr positive Worte verwenden und mehr positive Gefühle ausdrücken. Mehr noch konnten sie belegen, dass die positive Gefühls- und Stimmungslage dieser Führungskräfte sich auf ihre Mitarbeiter überträgt. Sie übertragen also ihre Gefühle von Hoffnung, Zuversicht und Optimismus auf ihr Umfeld und werden zum Dank noch als deutlich effektivere Führungskräfte eingeschätzt. Gefühle zu zeigen zahlt sich also aus. Dieser Effekt hat jedoch auch viel mit Status und Position in der Hierarchie zu tun, wie eine Studie von Anderson, John und Keltner herausfand. Demnach ist die „Ansteckungsgefahr“ deutlich größer, wenn die Gefühle von der mächtigeren Person ausgehen. Sie übertragen sich also eher von der Führungskraft auf den Mitarbeiter als umgekehrt.
Gefühle spielen immer eine Rolle. Bei vielen charismatischen Menschen waren und sind Gefühle starke Antreiber. Bei Martin Luther King, Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi zum Beispiel waren dies Gerechtigkeitsempfinden, Sehnsucht nach einer besseren Gesellschaft, Hoffnung, Liebe, der Wunsch nach Freiheit. Sie haben damit die Gefühle der Massen ausgedrückt und Geschichte geschrieben, indem sie zu einschneidenden politischen Veränderungen in der Welt beigetragen haben, die ohne diese Menschen so nicht passiert wären.
Sehr gut sichtbar sind Gefühle im Sport, wo Freude und Enttäuschung sehr nah beieinander liegen und wo Tränen nichts Ungewöhnliches sind. Sportereignisse sind immer mit starken Gefühlen verbunden, bei den Sportlern wie beim Publikum. Die besten Bilder, die von sportlichen Großereignissen, von glücklichen Siegern und enttäuschten Verlierern
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