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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Sie.«
    Halblicht brach durch das Netzwerk der Zweige über ihnen und warf ihnen den Geist eines Netzes vor die Füße; denn sie stiegen erneut in die schwache Helle der reinen Nacht hinein. Flambeau empfand um sich Wahrheit wie eine Stimmung, aber nicht wie eine Idee. Er antwortete aus verwirrtem Hirn: »Was ist das denn mit dem Säbel? Offiziere tragen gewöhnlich Säbel, oder nicht?«
    »Sie werden in modernen Kriegen nicht oft erwähnt«, sagte der andere leidenschaftslos; »aber in dieser Affäre stolpert man überall über diesen gesegneten Säbel.«
    »Und was ist damit?« grollte Flambeau; »das ist ein fadenscheiniger Zwischenfall; die Klinge des alten Mannes ist in seiner letzten Schlacht abgebrochen. Natürlich kann man darauf wetten, daß die Zeitungen sich auf so etwas stürzen, wie sie es auch getan haben. Auf all diesen Grabmälern und Dingern wird er an der Spitze abgebrochen gezeigt. Ich hoffe, Sie haben mich nicht auf diese Polarexpedition mitgeschleppt, weil zwei Männer mit einem Blick fürs Malerische St. Clares zerbrochenen Säbel gesehen haben.«
    »Nein«, rief Father Brown mit einer Stimme scharf wie ein Pistolenschuß; »aber wer hat seinen unzerbrochenen Säbel gesehen?«
    »Was meinen Sie damit?« schrie der andere und blieb unter den Sternen stehen. Jäh waren sie aus den grauen Toren des Waldes hinausgetreten.
    »Ich frage, wer seinen unzerbrochenen Säbel gesehen hat«, wiederholte Father Brown hartnäckig. »Jedenfalls nicht der Schreiber des Tagebuches; der General stieß ihn rechtzeitig in die Scheide zurück.«
    Flambeau starrte ihn im Mondenlicht an, wie ein Blinder in die Sonne starren mag; und zum erstenmal fuhr sein Freund lebhaft fort:
    »Flambeau«, rief er, »ich kann es nicht beweisen, selbst nicht nach dieser Jagd durch die Gräber. Aber ich bin mir dessen sicher. Lassen Sie mich nur noch eine Kleinigkeit hinzufügen, die das ganze Ding aus dem Gleichgewicht bringt. Der Oberst war durch einen merkwürdigen Zufall einer der ersten, die von einer Kugel getroffen wurden. Er wurde getroffen, schon lange bevor die Truppen ins Handgemenge kamen. Aber er sah St. Clares Säbel zerbrochen. Warum war er zerbrochen? Wie war er zerbrochen? Mein Freund, er war bereits vor der Schlacht zerbrochen.«
    »Oha!« sagte sein Freund in einer Art verlorener Heiterkeit; »und wo bitte befindet sich das abgebrochene Stück?«
    »Das will ich Ihnen sagen«, erwiderte der Priester prompt. »In der nördlichsten Ecke des Friedhofes der protestantischen Kathedrale in Belfast.«
    »Tatsächlich?« fragte der andere. »Haben Sie sich danach umgesehen?«
    »Ich konnte nicht«, erwiderte Brown mit offenkundigem Bedauern. »Über ihm erhebt sich ein großes Marmordenkmal; ein Denkmal zur Erinnerung an den heroischen Major Murray, der ruhmvoll kämpfend in der berühmten Schlacht am Schwarzen Fluß fiel.«
    Flambeau schien plötzlich wieder ins Leben elektrisiert. »Sie meinen«, rief er rauh, »daß General St. Clare Murray haßte und ihn auf dem Schlachtfeld ermordete, weil – «
    »Sie sind immer noch voller gütiger und reiner Gedanken«, sagte der andere. »Es war schlimmer als das.«
    »Nun gut«, sagte der große Mann, »mein Vorrat an üblen Vorstellungen ist aufgebraucht.«
    Der Priester schien wirklich im Zweifel, wo anzufangen, und schließlich sagte er:
    »Wo würde ein Weiser ein Blatt verbergen? Im Wald.«
    Der andere antwortete nicht.
    »Wenn es keinen Wald gibt, muß er einen Wald erschaffen. Und wenn er ein totes Blatt verbergen will, muß er einen toten Wald erschaffen.«
    Da war immer noch keine Antwort, und der Priester fügte noch sanfter und leiser hinzu:
    »Und wenn ein Mann eine Leiche zu verbergen hat, dann schafft er ein Feld von Leichen, sie darin zu verbergen.«
    Flambeau begann voranzustapfen, als könne er keinen Verzug in Zeit oder Raum mehr vertragen; aber Father Brown fuhr fort, als führe er den letzten Satz weiter:
    »Sir Arthur St. Clare war, wie ich schon sagte, ein Mann, der seine Bibel las. Das war es, was mit ihm los war. Wann werden die Menschen begreifen, daß es für einen Mann nutzlos ist, seine Bibel zu lesen, wenn er nicht auch aller anderen Bibel liest? Ein Drucker liest eine Bibel auf Setzfehler hin. Ein Mormone liest seine Bibel und findet darin Vielweiberei; ein Christian Scientist liest die seine und findet darin, daß wir keine Arme und Beine haben. St. Clare war ein alter protestantischer Angloindien-Soldat. Nun überlegen Sie mal, was das bedeutet; und

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