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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Platz ein; allem Anschein nach ein hagerer, dunkelhaariger Mann mit Namen Murray – ein Mann aus Nordirland und ein Puritaner. Da gibt es ständig Witze über den Gegensatz zwischen der Strenge dieses Ulster-Mannes und der herzhaften Lebensfreude von Oberst Clancy. Es gibt da auch einige Witze über den Geier und seine grellfarbene Kleidung.
    Doch all diese Nichtigkeiten werden durch etwas verscheucht, was man den Klang der Kriegstrompete nennen könnte. Hinter dem englischen Lager verlief fast parallel zum Fluß eine der wenigen großen Straßen des Gebietes. Nach Westen hin bog die Straße zum Fluß ab, den sie auf der schon erwähnten Brücke überquerte. Nach Osten hin schwang die Straße wieder zurück in die Wildnis, und einige zwei Meilen weiter lag an ihr der erste englische Vorposten. Aus dieser Richtung kam am Abend über die Straße das Blitzen und Klirren leichter Reiterei, in der sogar der einfache Tagebuchschreiber zu seinem Erstaunen den General mit seinem Stab erkennen konnte. Er ritt das große weiße Pferd, das Sie so oft in Illustrierten und auf akademischen Ölbildern gesehen haben; und Sie dürfen sicher sein, daß ihre Ehrenbezeugung vor ihm nicht nur formell geschah. Er aber verschwendete keine Zeit auf Zeremonien, sondern sprang sofort aus dem Sattel, mischte sich unter die Gruppe Offiziere und begann ein intensives wenngleich vertrauliches Gespräch. Was unseren Freund den Tagebuchschreiber am meisten überraschte, war seine besondere Neigung, sich mit Major Murray zu besprechen; nun war eine solche Auswahl, solange sie nicht besonders hervorgehoben wurde, keineswegs unnatürlich. Die beiden Männer waren für gegenseitige Sympathien wie geschaffen; beide waren Männer, die ›ihre Bibel lasen‹; beide gehörten zum alttestamentarischen Offizierstyp. Aber wie dem auch sein mag, sicher ist, daß, als der General wieder aufsaß, er immer noch ernsthaft mit Murray sprach; und daß, als er sein Roß langsam die Straße zum Fluß hinabgehen ließ, der große Ulster-Mann immer noch in ernsthaftem Gespräch neben seiner Zügelhand ging. Die Soldaten sahen den beiden nach, bis sie hinter einer Baumgruppe verschwanden, an der sich die Straße zum Fluß hin bog. Der Oberst war zurück zu seinem Zelt gegangen, und die Männer zu ihren Posten; der Mann mit dem Tagebuch lungerte noch einige vier Minuten herum und erblickte etwas Erstaunliches.
    Das große weiße Pferd, das langsam die Straße hinabgeschritten war, wie es schon in so manchen Aufzügen geschritten war, kam zurückgeflogen, galoppierte über die Straße auf sie zu, als sei es wild darauf, ein Rennen zu gewinnen. Zuerst dachten sie, es sei mit dem Mann im Sattel durchgegangen; aber sie erkannten bald, daß der General, ein ausgezeichneter Reiter, es selbst zu höchster Geschwindigkeit anspornte. Pferd und Mann stürmten wie ein Wirbelwind auf sie hin; und dann wendete ihnen der General, während er das taumelnde Schlachtroß zügelte, ein Gesicht wie eine lodernde Flamme zu und brüllte nach dem Oberst wie die Posaune, die die Toten erweckt.
    Ich stelle mir vor, daß all die erdbebenhaften Ereignisse jener Katastrophe im Geiste solcher Menschen wie unserem Tagebuchschreiber übereinanderstürzten wie Baumstämme. Mit der benommenen Erregung eines Traumes sahen sie sich in Reih und Glied stürzen – buchstäblich stürzen – und erfuhren, daß sofort ein Angriff über den Fluß zu führen sei. General und Major, wurde gemunkelt, hätten an der Brücke etwas herausgefunden, und nun bleibe gerade noch genug Zeit, ums Leben zu kämpfen. Der Major sei sofort zurückgegangen, um die Reserven weiter die Straße hinab heranzuführen; doch sei es zweifelhaft, ob selbst durch so prompten Hilferuf die Hilfe sie noch rechtzeitig erreichen könne. Auf jeden Fall aber müsse man den Fluß bei Nacht überqueren und die Höhe am Morgen angreifen. Und mit der Aufregung und dem Pulsieren des romantischen Nachtmarsches bricht das Tagebuch plötzlich ab.«
    Father Brown schritt voran, denn der Waldweg wurde schmaler, steiler und gewundener, bis sie sich vorkamen, als stiegen sie eine Wendeltreppe hinan. Die Stimme des Priesters kam von oben aus der Dunkelheit.
    »Da gab es noch einen anderen kleinen ungeheuerlichen Zwischenfall. Als der General sie zu ihrem ritterlichen Angriff drängte, zog er seinen Säbel halb aus der Scheide; und dann, als ob er sich der melodramatischen Geste schämte, stieß er ihn wieder hinein. Wieder der Säbel, sehen

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