Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
unter ihm sammelte.
Daß sie in so geringer Zahl einen Angriff gegen eine solche Stellung versuchen sollten, war unglaublich genug; aber Olivier bemerkte etwas noch Ungewöhnlicheres. Denn statt zu versuchen, festeren Boden zu gewinnen, unternahm dieses wahnsinnige Regiment, das den Fluß in einem einzigen wilden Ansturm hinter sich gebracht hatte, nichts weiter, sondern blieb da im Morast stecken wie Fliegen im Sirup. Selbstverständlich bliesen die Brasilianer riesige Löcher mit ihrer Artillerie hinein, der sie nur mit mutigem aber schnell schwächer werdendem Gewehrfeuer antworten konnten. Doch gaben sie nicht auf; und Oliviers knapper Bericht schließt mit einem kräftigen Ausdruck der Bewunderung für die geheimnisvolle Tapferkeit dieser Narren. ›Schließlich rückte unsere Linie vor‹, schrieb Olivier, ›und trieb sie in den Fluß; wir nahmen General St. Clare selbst und einige weitere Offiziere gefangen. Der Oberst und der Major waren beide im Gefecht gefallen. Ich kann mich nicht enthalten festzustellen, daß es in der Geschichte nur wenige großartigere Anblicke gegeben haben kann, wie den letzten Widerstand dieses außerordentlichen Regiments; verwundete Offiziere ergriffen die Gewehre toter Soldaten, und der General selbst warf sich uns zu Pferde entgegen, barhäuptig und mit zerbrochenem Säbel.‹ Über das, was danach mit dem General geschah, ist Olivier ebenso schweigsam wie Hauptmann Keith.«
»Na schön«, knurrte Flambeau, »weiter mit dem nächsten Beweisstück.«
»Das nächste Beweisstück«, sagte Father Brown, »mußte ich lange suchen, aber es wird nicht lange dauern, es zu erzählen. Schließlich fand ich in einem Armenhaus in den Lincolnshire Fens einen alten Soldaten, der nicht nur am Schwarzen Fluß verwundet wurde, sondern tatsächlich neben dem Oberst des Regimentes kniete, als der starb. Es war dies ein gewisser Oberst Clancy, ein mächtiger Bulle von Irländer; und es scheint, daß er ebenso an Zorn wie an Kugeln starb. Er jedenfalls war nicht verantwortlich für jenen lächerlichen Angriff; der General muß ihn dazu gezwungen haben. Seine letzten erbaulichen Worte waren meinem Informanten zufolge: ›Und da geht der verdammte alte Esel mit der Spitze des Säbels abgeschlagen. Ich wollte, es wäre sein Kopf.‹ Sie werden bemerkt haben, daß offenbar jeder diese Einzelheit mit der abgebrochenen Säbelspitze zur Kenntnis genommen hat, obwohl die meisten Menschen sie ehrfürchtiger betrachten, als der verblichene Oberst Clancy. Und nun zum dritten Bruchstück.«
Ihr Pfad durch das Waldland begann zu steigen, und der Sprecher pausierte ein bißchen, um wieder zu Atem zu kommen, bevor er fortfuhr. Dann machte er im gleichen geschäftsmäßigen Ton weiter:
»Vor kaum ein oder zwei Monaten starb in England ein brasilianischer Beamter, der mit Olivier Krach bekommen und sein Land verlassen hatte. Er war eine wohlbekannte Figur, sowohl hier wie auf dem Kontinent, ein Spanier namens Espado; ich habe ihn selbst gekannt, ein gelbgesichtiger alter Lebemann mit einer Hakennase. Aus unterschiedlichen privaten Gründen habe ich die Genehmigung erhalten, in die von ihm hinterlassenen Dokumente Einsicht zu nehmen; er war natürlich Katholik, und ich war bis zu seinem Ende bei ihm. Nichts gab es da, was irgendeine Ecke der dunklen St.-Clare-Affäre hätte erhellen können, mit Ausnahme einiger fünf oder sechs einfacher Hefte mit Tagebuchnotizen eines englischen Soldaten. Ich kann nur vermuten, daß sie von den Brasilianern bei einem Gefallenen gefunden wurden. Jedenfalls brechen sie am Abend unmittelbar vor der Schlacht ab.
Aber der Bericht über den letzten Tag im Leben dieses armen Teufels war wirklich lesenswert. Ich habe ihn bei mir; aber hier ist es zu dunkel, um ihn vorzulesen, und deshalb will ich Ihnen eine Zusammenfassung geben. Der erste Teil der Eintragung ist voller Witze über jemanden, den man Geier nannte, und die offenbar unter den Männern umliefen. Es hat nicht den Anschein, daß diese Person, wer immer es war, zu ihnen gehört hat oder auch nur ein Engländer war; aber es wird von ihm auch nicht ausdrücklich als von einem der Gegner gesprochen. Es hört sich fast so an, als ob er irgendein örtlicher Mittelsmann und Nichtkombattant gewesen sei; vielleicht ein Führer oder ein Journalist. Oft saß er mit dem alten Oberst Clancy zusammen; wird aber häufiger noch im Gespräch mit dem Major gesehen. Nun nimmt dieser Major in der Erzählung des Soldaten einen herausragenden
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