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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Frage. Ein oder zwei Jahre zuvor hatte Boulnois eine wunderschöne und nicht erfolglose Schauspielerin geheiratet, der er auf seine schüchterne und schwerfällige Weise ergeben war; und die Nähe zu Champions Haushaltung hatte jener koketten Berühmtheit Gelegenheit geboten, sich in einer Weise aufzuführen, die nur schmerzliche und ziemlich niedrige Aufregung auslösen konnte. Sir Claude hatte die Kunst der Publicity zur Perfektion entwickelt; und er schien ein verrücktes Vergnügen daran zu finden, gleichermaßen aufsehenerregend eine geheime Liebesbeziehung durchzuspielen, die ihm auf keinen Fall zur Ehre gereichen konnte. Diener aus Pendragon überbrachten ständig Blumengebinde für Mrs. Boulnois; Kaleschen und Autos holten ständig Mrs. Boulnois im Cottage ab; Bälle und Maskenfeste erfüllten ständig die Anlagen, in denen der Freiherr Mrs. Boulnois wie die Königin der Liebe und Schönheit eines Minneturniers vorführte. Jenen speziellen Abend, den Mr. Kidd für die Darlegung des Katastrophismus vorgesehen hatte, hatte Sir Claude für eine Freiluftaufführung von Romeo und Julia vorgesehen, bei der er den Romeo einer Julia zu spielen hatte, deren Namen zu nennen unnötig ist.
    »Ich glaub nicht, daß das ohne Krach so weitergehen kann«, sagte der junge Mann mit dem roten Haar, stand auf und reckte sich. »Der alte Boulnois kann in die Enge getrieben sein – oder er kann anständig sein. Aber wenn er anständig ist, ist er strohdumm. Doch das kann ich nicht für möglich halten.«
    »Er ist ein Mann von großer geistiger Kraft«, sagte Calhoun Kidd mit tiefer Stimme.
    »Ja«, antwortete Dalroy; »aber selbst ein Mann von großer geistiger Kraft kann nicht so ein blinder Blödian sein. Müssen Sie schon gehn? Ich werd Ihnen in ein oder zwei Minuten nachkommen.«
    Calhoun Kidd aber, der seine Milchsoda ausgetrunken hatte, machte sich rasch auf den Weg zum Grey Cottage und ließ seinen zynischen Informanten bei Whisky und Tabak. Das letzte Tageslicht war erloschen; der Himmel war von dunklem Grüngrau, wie aus Schiefer, und hie und da mit einem Stern besteckt, am linken Himmelsrand aber lichter, was auf den aufgehenden Mond hinwies.
    Grey Cottage stand sozusagen verschanzt in einem Viereck aus starren hohen Dornenhecken und so nahe den Kiefern und Palisaden des Parks, daß Kidd es zunächst für das Pförtnerhäuschen hielt. Als er dann aber den Namen auf dem schmalen Holztor fand und auf seiner Uhr sah, daß die Stunde der Verabredung mit dem »Denker« soeben geschlagen hatte, trat er ein und klopfte an die Vordertür. Als er innerhalb der Hecke war, konnte er sehen, daß das Haus, obwohl unscheinbar genug, doch größer und luxuriöser war, als es zunächst aussah, und etwas ganz anderes als ein Pförtnerhäuschen. Eine Hundehütte und ein Bienenstock standen davor wie Symbole des alten englischen Landlebens; der Mond ging hinter einer schönen Birnbaumpflanzung auf; der Hund, der aus seiner Hütte kam, war ehrerbietig und zurückhaltend mit Bellen; und der einfache ältliche Diener, der die Tür öffnete, war ebenso wortkarg wie würdevoll.
    »Mr. Boulnois hat mich beauftragt, Ihnen seine Entschuldigung auszurichten«, sagte er, »aber er sah sich gezwungen, plötzlich auszugehen.«
    »Hören Sie mal zu, ich habe aber eine Verabredung«, sagte der Interviewer mit lauter werdender Stimme. »Wissen Sie denn, wo er hingegangen ist?«
    »Nach Pendragon Park, Sir«, sagte der Diener düster und begann, die Tür zu schließen.
    Kidd fuhr ein bißchen zusammen.
    »Ist er mit Mrs…. mit den übrigen hingegangen?« fragte er vage.
    »Nein, Sir«, sagte der Mann kurz; »er blieb zurück, und ging dann allein aus.« Und er schloß brutal die Tür, doch mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er seine Pflicht nicht getan.
    Der Amerikaner, diese eigenartige Zusammensetzung aus Unverfrorenheit und Feinfühligkeit, war verärgert. Er fühlte ein starkes Verlangen, sie alle aufzuscheuchen und ihnen Geschäftsmanieren beizubringen; dem angegrauten alten Hund und dem ergrauten, schwergesichtigen alten Diener mit seinem vorsintflutlichen Vorsteckhemd, und dem schläfrigen alten Mond, und vor allem diesem zerstreuten alten Philosophen, der seine Verabredung nicht einhalten konnte.
    »Wenn der sich so benimmt, dann hat er es verdient, die reinste Anbetung seiner Frau zu verlieren«, sagte Mr. Calhoun Kidd. »Aber vielleicht ist er rübergegangen, um Krach zu schlagen. Für den Fall aber meine ich, sollte ein Mann von der

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