Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
und unglaublichen Kostüm steckte, von Kopf bis Fuß in enganliegendes Karmesin gehüllt und stellenweise golddurchwirkt, erkannte er doch in einem Mondenstrahl, wer es war. Dieses weiße, himmelwärts gerichtete Gesicht, glattrasiert und unnatürlich jung, ein Byron mit römischer Nase, jene schwarzen, schon ergrauenden Locken – er hatte Tausende der öffentlichen Porträts von Sir Claude Champion gesehen. Die wilde rote Gestalt taumelte für einen Augenblick gegen die Sonnenuhr; im nächsten war sie bereits den steilen Hang herabgerollt und lag zu Füßen des Amerikaners und bewegte schwach einen Arm. Ein grelles, unnatürlich goldenes Ornament auf dem Ärmel erinnerte Kidd plötzlich an Romeo und Julia; natürlich, die enganliegende karmesinrote Kleidung war Teil des Stückes. Aber da zog sich ein langer roter Fleck den Hang herunter, wo der Mann herabgerollt war – der war nicht Teil des Stückes. Er war erstochen worden.
Mr. Calhoun Kidd rief um Hilfe, und rief erneut. Und wieder schien es ihm, als höre er phantastische Fußschritte, und er fuhr hoch, nur um eine andere Gestalt bereits nahe bei sich zu sehen. Er kannte die Gestalt, und doch erschreckte sie ihn. Der liederliche Jüngling, der sich Dalroy nannte, hatte eine entsetzlich ruhige Art; und wenn Boulnois Verabredungen nicht einhielt, die er getroffen hatte, so hatte Dalroy eine dräuende Weise, Verabredungen einzuhalten, die er nicht getroffen hatte. Mondenlicht verfärbt alles; unter seinen roten Haaren war Dalroys bleiches Gesicht nicht so sehr weiß wie fahlgrün.
All dieser morbide Impressionismus mag Kidds Entschuldigung dafür sein, daß er brutal und ohne alle Vernunft aufgeschrieen hatte: »Haben Sie das getan, Sie Teufel?«
James Dalroy lächelte sein unerfreuliches Lächeln; aber bevor er etwas sagen konnte, machte die gestürzte Gestalt eine weitere Bewegung mit dem Arm und winkte vage in die Richtung, wo der Degen niedergefallen war; dann kam ein Stöhnen, und dann gelang es ihr zu sprechen.
»Boulnois… Boulnois sag ich… Boulnois hat es getan… eifersüchtig… er war eifersüchtig, er war, er war…«
Kidd neigte sich vor, um mehr zu hören, und konnte gerade noch die Worte vernehmen: »Boulnois… mit meinem eigenen Degen… er hat ihn geschleudert…«
Und wieder winkte die versagende Hand zum Degen hin und fiel dann mit einem Aufprall steif hin. In Kidd stieg aus den tiefsten Tiefen jener bittere Humor empor, der das seltsame Salz seiner Rasse ist, wenn es ihr ernst wird.
»Hören Sie her«, sagte er scharf und befehlend, »Sie müssen einen Doktor holen. Dieser Mann ist tot.«
»Und vermutlich auch einen Priester«, sagte Dalroy auf eine undurchschaubare Weise. »All diese Champions sind Papisten.«
Der Amerikaner kniete neben dem Körper nieder, tastete nach dem Herzschlag, stützte den Kopf auf und unternahm einige letzte Versuche der Wiederbelebung; aber noch ehe der andere Journalist mit einem Arzt und einem Priester wieder erschien, war er bereits bereit zu bestätigen, daß sie zu spät kämen.
»Sind Sie auch zu spät gekommen?« fragte der Doktor, ein solider und wohlhabend aussehender Mann mit dem üblichen Schnurr- und Backenbart, aber einem lebhaften Blick, der Kidd mißtrauisch betrachtete.
»In gewissem Sinne ja«, dehnte der Vertreter der ›Sun‹. »Ich kam zu spät, um den Mann zu retten, aber ich war gerade noch zur rechten Zeit da, um etwas Wichtiges zu hören. Ich habe den toten Mann seinen Mörder nennen gehört.«
»Und wer war der Mörder?« fragte der Doktor und runzelte die Augenbrauen.
»Boulnois«, sagte Calhoun Kidd und pfiff leise vor sich hin.
Der Doktor starrte ihn düster an und seine Stirn rötete sich; aber er widersprach nicht. Dann sagte der Priester, eine kleinere Gestalt im Hintergrund, milde: »Ich dachte, daß Mr. Boulnois heute abend nicht nach Pendragon Park käme.«
»Auch hier«, sagte der Yankee grimmig, »befinde ich mich in der Lage, dem alten Land ein oder zwei Fakten zu liefern. Yes , Sir, John Boulnois wollte den ganzen Abend zu Hause bleiben; er traf eine feste ordentliche Verabredung mit mir. Aber John Boulnois änderte seine Meinung; John Boulnois verließ plötzlich sein Haus, allein, und kam vor einer Stunde oder so in diesen verfluchten Park. Sein Butler hat mir das gesagt. Ich glaube, damit haben wir, was die allweise Polizei eine Spur nennen würde – haben Sie nach ihr geschickt?«
»Ja«, sagte der Doktor; »aber sonst haben wir noch niemanden
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