Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
verwirrt.‹«
»Was ist denn das?« fragte der junge Mann verständnislos.
»Egal«, sagte der Priester. »In 9 von 10 Fällen liegt einer Namensveränderung eine Schurkerei zugrunde; in diesem Fall aber war es ein Stück des feinsten Fanatismus. Und das ist die Pointe seiner sarkastischen Bemerkung, daß die Amerikaner keine Namen zum Ändern hätten – nämlich keine Titel. In England würde man den Marquis of Hartington niemals als Mr. Hartington anreden; aber in Frankreich wird der Marquis de Villon als Monsieur de Villon angeredet. Deshalb konnte das Ganze wie eine Namensänderung aussehen. Was nun das Gespräch übers Töten angeht, so vermute ich, daß es sich da ebenfalls um eine Frage der französischen Etiquette handelte. Der Doktor sprach davon, Floyd zu einem Duell zu fordern, und das Mädchen versuchte, ihm das auszureden.«
»Oh, ich verstehe«, rief Fiennes langsam. »Jetzt begreife ich auch, was sie gemeint hat.«
»Und was war das?« fragte ihn sein Gefährte lächelnd.
»Nun«, sagte der junge Mann, »mir ist da etwas zugestoßen, unmittelbar bevor ich die Leiche des armen Kerls gefunden habe; nur diese Katastrophe hat es mich vergessen gemacht. Vermutlich ist es schwierig, sich an eine kleine romantische Idylle zu erinnern, wenn man gerade den Gipfel einer Tragödie erreicht hat. Jedenfalls, als ich die Straßen zum alten Wohnhaus des Obersten hinabging, begegnete ich seiner Tochter, die mit Dr. Valentine spazieren ging. Sie war natürlich in Trauer, und er trug immer Schwarz, als ob er zu einer Beerdigung ginge; aber ich kann nicht behaupten, daß ihre Gesichter sehr nach Beerdigung aussahen. Nie habe ich zwei Menschen gesehen, die auf ihre Weise ehrbarer strahlend und fröhlich aussahen. Sie hielten an und begrüßten mich, und dann erzählte sie mir, sie seien verheiratet und lebten in einem kleinen Haus am Rande der Stadt, wo der Doktor weiterhin praktiziere. Das hat mich einigermaßen überrascht, denn ich wußte ja, daß das Testament ihres Vaters ihr seinen Besitz zugesprochen hatte; darauf wies ich vorsichtig hin, indem ich sagte, ich sei unterwegs zu ihres Vaters Haus und hätte halb erwartet, sie dort anzutreffen. Aber sie lachte nur und sagte: ›Wir haben das alles aufgegeben. Mein Mann liebt Erbinnen nicht.‹ Und dann stellte ich mit einigem Erstaunen fest, daß sie wirklich darauf bestanden hatte, den ganzen Besitz an den armen Donald zurückzugeben; also hoffe ich, daß er einen heilsamen Schock erlitten hat und ihn vernünftig behandelt. Es stand in Wirklichkeit nie ganz übel mit ihm; er war sehr jung, und sein Vater war nicht sehr klug. Aber in diesem Zusammenhang sagte sie etwas, was ich damals nicht verstanden habe; jetzt aber bin ich sicher, daß es so gewesen sein muß, wie Sie sagen. Sie sagte mit plötzlichem und glänzendem Hochmut, der vollkommen altruistisch war:
›Ich hoffe, das wird diesen rothaarigen Narren davon abhalten, noch weiter Aufhebens um das Testament zu machen. Glaubt er denn, mein Mann, der um seiner Grundsätze willen Helmschmuck und Wappenkrone aufgegeben hat, die so alt wie die Kreuzzüge waren, würde einen alten Mann in seinem Gartenhaus um einer solchen Erbschaft willen umbringen?‹ Dann lachte sie wieder und sagte: ›Mein Mann bringt niemanden außer beruflich um. Er hat ja nicht einmal seine Freunde gebeten, den Sekretär aufzusuchen.‹ Nun begreife ich natürlich, was sie da gemeint hat.«
»Ich begreife natürlich einen Teil dessen, was sie gemeint hat«, sagte Father Brown. »Aber was genau meinte sie mit dem Aufhebens, das der Sekretär um das Testament mache?«
Fiennes lächelte, als er antwortete: »Ich wünschte, Sie kennten den Sekretär, Father Brown. Es würde Ihnen Spaß machen zuzusehen, wie er alles sausen macht, wie er das nennt. Er machte das Trauerhaus sausen. Er stattete die Bestattung mit allem Biß und Zack einer sportlichen Großveranstaltung aus. Nichts kann ihn halten, wenn irgendwas wirklich geschehen ist. Ich habe Ihnen erzählt, wie er den Gärtner bei der Gartenarbeit überwachte und wie er den Rechtsanwalt die Rechte lehrte. Unnötig zu sagen, daß er auch den Chirurgen in der Chirurgie unterwies; und da der Chirurg Dr. Valentine war, dürfen Sie sicher sein, daß es damit endete, daß er ihn schlimmerer Dinge als nur chirurgischer Kunstfehler bezichtigte. Der Sekretär hat unter seinem roten Schopf die fixe Idee, daß der Doktor das Verbrechen begangen habe, und als die Polizei eintraf, benahm er sich
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