Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Doktor alle Arten ärgerlicher Dinge; um so ärgerlicher wegen der Absichten des Doktors auf einen künftigen Platz in seiner Familie. Ich hätte mir aus all dem aber nicht viel gemacht, wären da nicht einige Worte, die ich zufällig später hörte, am frühen Nachmittag der Tragödie. Ich will ihnen aber nicht zuviel Gewicht beimessen, denn sie waren nicht von der Art, bei der man gewöhnlich gern den Lauscher macht. Als ich mit meinen beiden Gefährten und dem Hund zum Gartentor strebte, hörte ich Stimmen, die mir verrieten, daß sich Dr. Valentine und Miss Druce für einen Augenblick in den Schatten des Hauses zurückgezogen hatten, in einen Winkel hinter einer Reihe blühender Pflanzen, und daß sie miteinander in leidenschaftlichem Flüstern sprachen – manchmal fast wie ein Zischen; es war zugleich ein Streit und ein Stelldichein von Liebenden. Niemand wird da bereit sein zu wiederholen, was die beiden sich hauptsächlich sagten; aber in einer so unglücklichen Geschichte fühle ich mich doch verpflichtet zu sagen, daß mehr als einmal ein Satz wiederholt wurde, daß jemand getötet werden solle. Tatsächlich schien das Mädchen ihn anzuflehen, jemanden nicht zu töten, oder darauf hinzuweisen, daß keine Provokation es rechtfertigen könne, jemanden zu töten; was mir als eine unübliche Art von Rede erscheint, die man an einen Herrn richtet, der auf eine Tasse Tee vorbeigekommen ist.«
»Wissen Sie«, fragte der Priester, »ob Dr. Valentine nach der Szene mit dem Sekretär und dem Oberst sehr ärgerlich war – ich meine die Sache mit dem Bezeugen des Testaments?«
»Nach allen Berichten«, erwiderte der andere, »war er nicht halb so ärgerlich wie der Sekretär. Es war der Sekretär, der nach der Beglaubigung des Testamentes kochend vor Wut wegstürmte.«
»Und jetzt«, sagte Father Brown, »was ist mit dem Testament?«
»Der Oberst war ein sehr wohlhabender Mann, und sein Testament war daher wichtig. Traill wollte uns zu jenem Zeitpunkt die Änderung nicht mitteilen, und ich habe erst heute Morgen gehört, daß der Hauptteil des Geldes vom Sohn auf die Tochter übertragen wurde. Ich habe Ihnen ja erzählt, daß Druce mit meinem Freund Donald wegen dessen Lebenswandel ziemlich zornig war.«
»Die Frage des Motivs ist durch die Frage der Methode ziemlich überschattet worden«, bemerkte Father Brown nachdenklich. »In jenem Augenblick war also Miss Druce die offenkundige Nutznießerin aus dem Tod.«
»Guter Gott! Welch eine kaltblütige Weise zu reden«, rief Fiennes und starrte ihn an. »Sie wollen doch nicht wirklich andeuten, daß sie – «
»Wird sie diesen Dr. Valentine heiraten?« fragte der andere.
»Manche sind dagegen«, antwortete sein Freund. »Aber im Ort mag und respektiert man ihn, und er ist ein geschickter und gewissenhafter Chirurg.«
»Ein so gewissenhafter Chirurg«, sagte Father Brown, »daß er sein chirurgisches Besteck mit sich führte, als er der jungen Dame zur Teezeit einen Besuch abstattete. Er muß eine Lanzette oder so was Ähnliches benutzt haben, und er scheint niemals nach Hause gegangen zu sein.«
Fiennes sprang auf und starrte ihn in brennender Neugierde an. »Sie meinen, er könnte dieselbe Lanzette verwendet haben, die – «
Father Brown schüttelte den Kopf. »Alle diese Überlegungen sind jetzt noch reine Phantasiegebilde«, sagte er. »Die Frage ist nicht, wer es tat, oder was er tat, sondern wie es getan wurde. Wir können viele Männer finden und sogar viele Tatwerkzeuge – Krawattennadeln und Heckenscheren und Lanzetten. Aber wie ist ein Mann in den Raum gekommen? Oder wie ist auch nur eine Nadel hineingekommen?«
Er starrte nachdenklich an die Decke, während er sprach, aber als er die letzten Worte sagte, zuckte sein Auge wachsam, als habe er plötzlich an der Decke eine eigenartige Fliege gesehen.
»Und was würden Sie deswegen unternehmen?« fragte der junge Mann. »Sie haben doch eine Menge Erfahrungen; was würden Sie jetzt raten?«
»Ich fürchte, ich bin da nicht von großem Nutzen«, sagte Father Brown mit einem Seufzer. »Ich kann nicht gut Ratschläge geben, ohne dem Ort oder den Menschen auch nur nahe gewesen zu sein. Im Augenblick können Sie nur mit den örtlichen Untersuchungen fortfahren. Ich nehme an, daß Ihr Freund von der Indien-Polizei die Untersuchungen da unten mehr oder minder übernommen hat. Ich würde hinfahren und nachsehen, wie er vorankommt. Sehen, was er im Rahmen der Amateurermittlung getan hat. Es mag inzwischen
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