Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Menschen anknurren gehört; darunter auch Floyd, den Sekretär. Ich gab ihm zurück, daß sein Argument sich selbst widerlege; denn man könne das Verbrechen nicht zwei oder drei Menschen anhängen, und zu allerletzt Floyd, der so unschuldig sei wie ein ausgelassener Schuljunge und den jedermann die ganze Zeit gesehen habe, wie er sich mit seinem Büschel roter Haare so auffällig wie ein scharlachroter Kakadu über die Hecke gebeugt habe. ›Ich weiß, daß es da Schwierigkeiten gibt‹, sagte mein Kollege, ›aber kommen Sie bitte mal mit mir in den Garten. Ich möchte Ihnen etwas zeigen, das sonst wohl niemand gesehen hat.‹ Das war an dem Tag der Entdeckung, und der Garten war ganz unverändert. Die Treppenleiter stand noch an der Hecke, und unmittelbar an der Hecke blieb mein Führer stehen und zog etwas aus dem tiefen Gras hervor. Es war die Heckenschere, und an einer der Scherenspitzen war ein Blutfleck.«
Es gab ein kurzes Schweigen, und dann sagte Father Brown plötzlich: »Warum war der Anwalt gekommen?«
»Er erzählte uns, der Oberst habe nach ihm geschickt, um sein Testament zu ändern«, antwortete Fiennes. »Und übrigens, im Zusammenhang mit dem Testament gab es noch etwas anderes, das ich erwähnen sollte. Wissen Sie, das Testament wurde gar nicht an dem Nachmittag im Sommerhaus unterzeichnet.«
»Das nehme ich auch nicht an«, sagte Father Brown, »dazu hätte es zweier Zeugen bedurft.«
»Der Anwalt war bereits am Vortag gekommen, und da war es unterschrieben worden; aber es wurde am nächsten Tag wieder nach ihm geschickt, weil dem alten Mann Zweifel wegen eines der Zeugen gekommen waren und er sich deshalb vergewissern wollte.«
»Wer waren die Zeugen?« fragte Father Brown.
»Das ist es ja gerade«, erwiderte sein Informant eifrig, »die Zeugen waren Floyd, der Sekretär, und dieser Dr. Valentine, diese ausländische Art Chirurg oder was immer er ist; und die beiden hatten einen Streit miteinander. Nun muß ich sagen, daß der Sekretär die Art Mensch ist, die sich in alles einmischt. Er ist einer von diesen hitzigen und halsstarrigen Kerlen, deren Temperament sich unglücklicherweise meistens in Widerborstigkeit und knisterndes Mißtrauen verwandelt; den Menschen mißtrauen, statt ihnen zu trauen. Diese Sorte rothaariger rotglühender Burschen ist immer entweder unendlich zutraulich oder unendlich mißtrauisch; und manchmal auch beides. Er ist nicht nur ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen, sondern er weiß auch alles besser als jeder Fachmann. Er weiß nicht nur alles besser, sondern er warnt auch jeden vor jedem. All das muß man im Hinblick auf seine Verdächtigungen gegen Valentine mit in Rechnung stellen; aber in diesem besonderen Fall scheint doch etwas dahinter zu stecken. Er sagte, Valentine heiße nicht wirklich Valentine. Er sagte, er habe ihn anderswo gesehen, wo man ihn unter dem Namen de Villon kannte. Er sagte, das würde das Testament ungültig machen; natürlich besaß er die Freundlichkeit, dem Rechtsanwalt das Recht in dieser Frage zu erklären. Darauf gerieten sie sich ganz schön in die Haare.«
Father Brown lachte. »Leute sind oft so, wenn sie ein Testament bezeugen«, sagte er, »denn das bedeutet unter anderem, daß sie darin nicht bedacht werden können. Aber was hat Dr. Valentine gesagt? Zweifellos wußte der universale Sekretär mehr über den Namen des Doktors, als der Doktor selbst. Aber auch der Doktor sollte eigentlich etwas über seinen eigenen Namen wissen.«
Fiennes hielt einen Augenblick inne, ehe er antwortete.
»Dr. Valentine nahm das in einer eigenartigen Weise auf. Dr. Valentine ist ein eigenartiger Mann. Seine Erscheinung ist recht auffällig und sehr ausländisch. Er ist noch jung, aber trägt einen eckig geschnittenen Bart; sein Gesicht ist sehr blaß, schrecklich blaß und schrecklich ernsthaft. In seinen Augen schimmert ein Schmerz, als ob er Brillen tragen müsse oder als ob er sich durch Denken Kopfschmerzen verschafft hätte; aber er sieht sehr gut aus und ist immer sehr förmlich gekleidet, mit Zylinder und dunklem Jackett und einer kleinen roten Rosette. Sein Benehmen ist ziemlich kühl und hochmütig, und er hat eine Art, einen anzustarren, die einen ganz durcheinander bringt. Als man ihn bezichtigte, seinen Namen geändert zu haben, starrte er zunächst wie eine Sphinx und sagte dann mit einem kleinen Lachen, er nehme an, daß Amerikaner keine Namen hätten, die sie ändern könnten. Daraufhin geriet auch der Oberst in Fahrt und sagte dem
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