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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Neuigkeiten geben.«
    Nachdem seine Gäste, der zweibeinige und der vierbeinige, verschwunden waren, nahm Father Brown sich seinen Federhalter und kehrte zu seiner unterbrochenen Beschäftigung zurück, nämlich eine Vortragsreihe über die Enzyklika Rerum Novarum zu planen. Das Thema war umfangreich, und er hatte es mehr als einmal neu anzugehen, so daß er fast auf die gleiche Weise beschäftigt war, als zwei Tage später der große schwarze Hund erneut ins Zimmer stürmte und sich enthusiastisch und aufgeregt auf ihn warf. Sein Herr, der dem Hund folgte, teilte dessen Aufregung, wenn nicht seinen Enthusiasmus. Er war in weniger angenehmer Weise aufgeregt, denn seine blauen Augen schienen ihm vor den Kopf zu treten, und sein eifriges Gesicht war sogar ein bißchen bleich.
    »Sie haben mir gesagt«, begann er abrupt und ohne Vorrede, »ich solle herausfinden, was Harry Druce tue. Wissen Sie, was er getan hat?«
    Der Priester antwortete nicht, und der junge Mann fuhr ruckartig fort:
    »Ich werd Ihnen sagen, was er getan hat. Er hat sich umgebracht.«
    Father Browns Lippen bewegten sich nur schwach, und in dem, was er sagte, war nichts Praktisches – nichts, das irgend etwas mit dieser Geschichte oder dieser Welt zu tun hatte.
    »Manchmal bekomme ich von Ihnen eine Gänsehaut«, sagte Fiennes. »Haben Sie – haben Sie das erwartet?«
    »Ich hielt es für möglich«, sagte Father Brown, »deshalb habe ich Sie gebeten, hinzufahren und nachzusehen, was er tue. Ich hoffte, Sie kämen nicht zu spät.«
    »Ich habe ihn gefunden«, sagte Fiennes mit belegter Stimme. »Es war die häßlichste und unheimlichste Erfahrung meines Lebens. Ich bin wieder durch den alten Garten gegangen, und ich wußte, daß es da etwas Neues und Unnatürliches außer dem Mord gab. Die Blumen drängten sich noch immer in blauen Mengen auf beiden Seiten des schwarzen Eingangs zum alten grauen Gartenhaus; aber auf mich wirkten die blauen Blumen wie blaue Teufel, die vor den dunklen Höhlen der Unterwelt tanzen. Ich sah in die Runde, alles schien an seinem üblichen Platz zu sein. Aber in mir wuchs der sonderbare Eindruck, daß irgendwas mit der Form des Himmels selbst nicht stimme. Und dann sah ich, was es war. Immer hatte sich der Schicksalsfelsen im Hintergrund jenseits der Gartenhecke vor der See erhoben. Der Schicksalsfelsen war nicht mehr da.«
    Father Brown hatte den Kopf gehoben und lauschte aufmerksam.
    »Es war, als sei ein Berg aus einer Landschaft weggewandert oder ein Mond aus dem Himmel gefallen; obwohl ich natürlich wußte, daß jederzeit eine Berührung das Ding umstürzen konnte. Ich war von irgendwas besessen, und ich raste wie der Wind den Gartenpfad hinab und rauschte krachend durch die Hecke, als wäre sie ein Spinnweb. In Wirklichkeit war es eine dünne Hecke, obwohl ihr ungestörter Beschnitt sie die Dienste einer Mauer hatte tun lassen. Am Ufer fand ich den losen Felsen, der von seinem Sockel gestürzt war; und der arme Harry Druce lag wie ein Wrack darunter. Einen Arm hatte er wie in einer Umarmung herumgeschlungen, als habe er ihn auf sich herabgezogen; und in den bräunlichen Sand daneben hatte er in großen wackeligen Buchstaben die Worte gekritzelt: ›Der Schicksalsfelsen stürzt auf den Narren.‹«
    »Das Testament des Obersten hat das ausgelöst«, bemerkte Father Brown. »Der junge Mann hatte alles darauf gesetzt, von Donalds Ungnade zu profitieren, besonders, nachdem sein Onkel am gleichen Tage nach ihm schickte wie nach dem Anwalt und ihn mit solcher Wärme begrüßte. Andernfalls war es mit ihm aus; er hatte seinen Posten in der Polizei verloren; in Monte Carlo war er zum Bettler geworden. Und er brachte sich selbst um, als sich herausstellte, daß er seinen Verwandten umsonst umgebracht hatte.«
    »Halt, einen Augenblick!« schrie Fiennes starren Blicks. »Sie sind zu schnell für mich.«
    »Wenn wir übrigens vom Testament sprechen«, fuhr Father Brown ruhig fort, »ehe ich das vergesse oder wir zu wichtigeren Dingen kommen: Es gibt, glaube ich, für all den Wirrwarr um des Doktors Namen eine einfache Erklärung. Ich bilde mir ein, daß ich beide Namen schon früher irgendwo gehört habe. Der Doktor ist in Wirklichkeit ein französischer Edelmann mit dem Titel eines Marquis de Villon. Aber er ist ebensosehr ein glühender Republikaner, der seinen Titel aufgegeben hat und sich statt dessen des vergessenen Familiennamens bedient. ›Mit eurem Bürger Riquetti habt ihr Europa zehn Tage lang sehr

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