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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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namenlos, das aber mich beim Namen rief – hatte zu mir in jenen Grüften und Klüften, in denen wir lebendig begraben waren, mit nicht mehr Leidenschaft oder Dramatik gesprochen, als säßen wir in einem Club in zwei Sesseln. Und dennoch hatte er mir gesagt, daß er ohne jeden Zweifel mich oder jeden anderen Mann töten werde, der in den Besitz des Kreuzes mit dem Zeichen des Fisches komme. Er erklärte mir offen, daß er nicht verrückt genug sei, mich dort in jenem Labyrinth anzugreifen, da er wisse, daß ich einen geladenen Revolver bei mir trage und er also das gleiche Risiko wie ich laufe. Aber er erklärte mir ebenso gelassen, daß er meine Ermordung mit der Gewißheit des Erfolges plane, wobei er jede Einzelheit ausarbeiten und jede Gefährdung abwenden werde nach Art jener künstlerischen Vollkommenheit, die ein chinesischer Kunsthandwerker oder ein indischer Sticker einem Lebenskunstwerk widme. Und doch war er kein Orientale; ich bin sicher, er war ein weißer Mann. Ich habe den Verdacht, daß er ein Landsmann von mir ist.
    Seither habe ich von Zeit zu Zeit Zeichen und Symbole und sonderbare unpersönliche Nachrichten empfangen, die mir zumindest die Gewißheit gegeben haben, daß der Mann, wenn er denn ein Wahnsinniger ist, ein Monomane ist. Ständig erzählt er mir auf diese leichte und leidenschaftslose Art, daß die Vorbereitungen für meinen Tod und meine Beisetzung zufriedenstellend voranschritten; und daß der einzige Weg, auf dem ich verhindern könne, daß sie ein bequemer Erfolg kröne, darin bestehe, auf die Reliquie in meinem Besitz zu verzichten – das einzigartige Kreuz, das ich in den Höhlen fand. Ihn scheinen in dieser Angelegenheit keinerlei religiöse Gefühle oder Fanatismen zu bewegen; er scheint keine Leidenschaft außer der Leidenschaft eines Sammlers von Raritäten zu haben. Das ist einer der Gründe, die mich sicher machen, daß er ein Mann des Westens und nicht des Ostens ist. Aber diese besondere Rarität scheint ihn verrückt gemacht zu haben.
    Und dann kam dieser noch unbestätigte Bericht über die zweite Reliquie, die man auf einem einbalsamierten Leichnam in einem Grab in Sussex gefunden habe. Wenn er zuvor ein Wahnsinniger war, dann verwandelte ihn diese Nachricht in einen von sieben Teufeln Besessenen. Daß es da deren eine geben sollte, die einem anderen Mann gehörte, war übel genug, aber daß es deren zwei geben sollte, von denen keine ihm gehörte, war ihm eine unerträgliche Qual. Seine verrückten Nachrichten kamen massiert und schnell, wie ein Regen vergifteter Pfeile, und jede schrie zuversichtlicher als die letzte hinaus, daß der Tod mich in dem Augenblick ereilen werde, in dem ich meine unwürdige Hand nach dem Kreuz im Grab ausstrecke.
    ›Sie werden mich niemals kennen‹, schrieb er, ›Sie werden niemals meinen Namen sagen; Sie werden niemals mein Gesicht sehen; Sie werden sterben und niemals wissen, wer Sie getötet hat. Ich könnte jeder von denen sein, die Sie umgeben; aber ich werde nur in jenem sein, auf den zu achten Sie vergessen haben.‹
    Aus diesen Drohungen schließe ich, daß er mich während dieser Expedition wahrscheinlich beschattet und versuchen wird, mir die Reliquie zu stehlen oder mir irgend etwas anzutun, um in ihren Besitz zu kommen. Aber da ich den Mann nie in meinem Leben gesehen habe, kann er praktisch jeder Mann sein, dem ich begegne. Logisch gesprochen, kann er jeder der Aufwärter sein, die mir bei Tisch aufwarten. Er kann jeder der Passagiere sein, die mit mir am Tisch sitzen.«
    »Er kann mich sein«, sagte Father Brown in fröhlicher Mißachtung der Grammatik.
    »Er kann jeder andere sein«, antwortete Smaill ernst. »Das habe ich mit dem gemeint, was ich bisher gesagt habe. Sie sind der einzige, bei dem ich die Gewißheit fühle, daß er nicht der Feind ist.«
    Father Brown sah wiederum verlegen aus; dann lächelte er und sagte: »Nun ja, sonderbarerweise bin ich es wirklich nicht. Jetzt sollten wir erwägen, ob es irgendeine Möglichkeit gibt herauszufinden, ob er wirklich hier ist, bevor er – bevor er sich unangenehm bemerkbar macht.«
    »Ich glaube, daß es eine Möglichkeit gibt, das herauszufinden«, bemerkte der Professor grimmig. »Wenn wir in Southampton ankommen, werde ich mir sofort einen Wagen entlang der Küste nehmen; ich wäre froh, wenn Sie mit mir kämen, im übrigen aber wird sich unsere kleine Gesellschaft natürlich auflösen. Wenn aber einer von ihnen auf jenem kleinen Friedhof an der Küste von Sussex

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