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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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wieder auftaucht, dann werden wir wissen, wer er wirklich ist.«
    Das Programm des Professors wurde entsprechend ausgeführt, wenigstens im Hinblick auf den Wagen und seine Ladung in Gestalt von Father Brown. Sie fuhren entlang der Küstenstraße mit dem Meer auf der einen Seite und den Hügeln von Hampshire und Sussex auf der anderen; und dem Auge ward kein Schatten eines Verfolgers sichtbar. Als sie sich dem Dorfe Dulham näherten, kreuzte nur ein Mann ihren Weg, der in irgendeiner Weise mit der Angelegenheit in Beziehung stand; ein Journalist, der gerade die Kirche besucht hatte und vom Vikar höflich durch die neu ausgegrabene Kapelle geführt worden war; doch schienen seine Bemerkungen und Notizen von der üblichen Zeitungsart zu sein. Der Professor aber war vielleicht etwas phantasievoll, denn er wurde das Gefühl nicht los, daß etwas Eigentümliches und Entmutigendes in der Haltung des Mannes sei, der groß und schäbig gekleidet war, mit Hakennase und eingesunkenen Augen und einem wehmütig herabhängenden Schnurrbart. Und seine jüngste Besichtigung schien auf ihn alles andere als belebend gewirkt zu haben; tatsächlich schien er so schnell wie möglich von diesem Orte fortzustreben, als sie ihn mit einer Frage aufhielten.
    »Dreht sich alles um einen Fluch«, sagte er, »einen Fluch auf der Stätte, laut Fremdenführer oder Pfarrer oder ältestem Einwohner oder wer da immer als Autorität gilt; und wirklich fühl’ ich mich, als ob es stimmt. Fluch oder nicht Fluch, ich bin froh, daß ich wieder raus bin.«
    »Glauben Sie an Flüche?« fragte Smaill neugierig.
    »Ich glaube an gar nichts; ich bin Journalist«, antwortete die traurige Gestalt – »Boon, vom ›Daily Wire‹. Aber irgendwas ist in der Krypta nicht geheuer; und ich werde niemals leugnen, daß es mich kalt überrieselt hat.« Und mit neuerlich beschleunigtem Schritt strebte er dem Bahnhof zu.
    »Der Bursche sieht wie ein Rabe oder eine Krähe aus«, bemerkte Smaill, als sie sich dem Friedhof zuwandten. »Was sagt man doch von einem Vogel, der Unheil bedeutet?«
    Als sie langsam den Friedhof betraten, glitten die Blicke des amerikanischen Altertumsforschers genüßlich über das einsame Dach der Totenpforte und den tiefen unergründlichen schwarzen Wuchs der Eibe, die aussah wie die Nacht selbst, die das Tageslicht verwehrt. Der Pfad klomm zwischen wogenden Rasenflächen empor, auf denen die Grabsteine in alle Richtungen wiesen wie steinerne Flöße, die auf einer grünen See umhergeworfen werden, bis er den Kamm erreichte, hinter dem die große See selbst lag wie eine Eisenplatte, mit fahlen Lichtern wie aus Stahl darinnen. Fast unmittelbar zu ihren Füßen wandelte sich das zähe verwilderte Gras in Büschel von Mannstreu und lief in graugelbem Sand aus; und ein oder zwei Fuß vor dem Mannstreu stand dunkel vor der stählernen See eine bewegungslose Gestalt. Von ihrem dunkelgrauen Anzug abgesehen, hätte es fast die Statue auf einem Grabmal sein können. Father Brown aber erkannte sofort die elegante Beugung der Schultern und den fast trotzigen Vorstoß des kurzen Bartes.
    »Nanu!« rief der Professor der Archäologie aus, »das ist ja der Mann Tarrant, wenn man ihn einen Mann nennen kann. Haben Sie geglaubt, als ich auf dem Schiff davon gesprochen habe, daß ich so schnell eine Antwort auf meine Frage erhalten würde?«
    »Ich glaubte, daß Sie zu viele Antworten darauf bekommen würden.«
    »Wie meinen Sie das?« erkundigte sich der Professor und warf einen Blick über die Schulter zurück.
    »Ich meine«, antwortete der andere mild, »daß ich glaube, Stimmen hinter der Eibe gehört zu haben. Ich glaube nicht, daß Mr. Tarrant so einsam ist, wie er aussieht; ich möchte sogar wagen zu behaupten, so einsam, wie er aussehen möchte.«
    Und noch während Tarrant sich langsam in seiner mürrischen Weise umdrehte, kam die Bestätigung. Eine andere Stimme, hoch und ziemlich hart, aber deshalb nicht weniger die einer Frau, sagte mit erprobter Koketterie:
    »Und woher sollte ich wissen, daß es hier sein würde?«
    Es dämmerte Professor Smaill, daß diese fröhliche Bemerkung nicht an ihn gerichtet war; also hatte er in einiger Verwirrung den Schluß zu ziehen, daß noch eine dritte Person anwesend war. Als Lady Diana Wales strahlend und entschlossen wie nur je aus dem Schatten der Eibe auftauchte, nahm er ingrimmig zur Kenntnis, daß sie einen eigenen lebenden Schatten mit sich führte. Die schlanke schmucke Gestalt von Leonard Smythe, jenes

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