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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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einem bestimmten Punkt ist alles ganz einfach. Ein christliches Grab aus dem frühen Mittelalter, offenbar ein Bischofsgrab, ist unter einer kleinen Kirche in Dulham an der Küste von Sussex gefunden worden. Zufälligerweise ist der Vikar selbst ein tüchtiges Stück von Archäologe, und er konnte eine ganze Menge mehr herausfinden, als ich bisher selbst wußte. Es gab Gerüchte, daß der Leichnam auf eine Weise einbalsamiert worden sei, die für Griechen und Ägypter eigentümlich, aber im Westen unbekannt ist, vor allem zu jener Zeit. Also hat Mr. Walters (der Vikar) natürlich an byzantinische Einflüsse gedacht. Aber er hat auch noch etwas anderes erwähnt, das für mich von weit größerem persönlichem Interesse ist.«
    Sein langes ernstes Gesicht schien noch länger und ernster zu werden, als er auf das Tischtuch hinabstarrte. Sein langer Finger schien darauf Muster zu zeichnen wie die Pläne toter Städte und ihrer Tempel und Grabstätten.
    »Und nun werde ich Ihnen, und sonst niemandem, erzählen, warum ich mich davor hüten muß, diese Angelegenheit in gemischter Gesellschaft zu erwähnen; und warum ich um so vorsichtiger sein muß, je begieriger sie sind, darüber zu sprechen. Es wurde auch erklärt, daß sich in dem Grab eine Kette mit einem Kreuz befinde, von einfachem Aussehen, aber mit einem ganz bestimmten geheimen Symbol auf der Rückseite, das man bisher nur auf einem einzigen anderen Kreuz auf Erden gefunden hat. Es entstammt den Geheimzeichen der frühesten Kirche und bezeichnet vermutlich die Errichtung des Stuhls von Sankt Peter zu Antiochien, ehe er nach Rom kam. Wie auch immer, ich glaube, daß es nur noch ein anderes dieser Art gibt, und das gehört mir. Angeblich gibt es eine Geschichte, daß auf ihm ein Fluch laste; aber darum kümmere ich mich nicht. Aber ob nun ein Fluch oder nicht, tatsächlich gibt es in gewisser Weise eine Verschwörung; obwohl diese Verschwörung sicherlich nur aus einem Mann besteht.«
    »Aus einem Mann?« wiederholte Father Brown fast mechanisch.
    »Aus einem Verrückten, soviel ich weiß«, sagte Professor Smaill. »Es ist eine lange Geschichte, und in gewisser Weise eine alberne.«
    Er hielt erneut inne, zog mit seinem Finger auf dem Tischtuch Linien wie in einer Bauzeichnung und fuhr dann fort:
    »Vielleicht sollte ich Ihnen die Geschichte von Anfang an erzählen, für den Fall, daß Sie irgendeine Kleinigkeit in ihr bemerken, die für mich bedeutungslos ist. Es begann vor vielen Jahren, als ich auf eigene Rechnung bestimmte Nachforschungen in den Altertümern Kretas und der griechischen Inseln betrieb. Den größten Teil davon machte ich praktisch allein, manchmal mit der gröbsten Hilfe von Ortsansässigen auf Zeit, und manchmal buchstäblich allein. Unter diesem letzten Umstand nun entdeckte ich ein Labyrinth unterirdischer Gänge, die mich schließlich zu einem Haufen reicher Reste führten, zerbrochener Ornamente und verstreuter Edelsteine, die ich für die Überbleibsel eines versunkenen Altars hielt, und unter ihnen fand ich das eigenartige goldene Kreuz. Ich drehte es um, und ich fand auf seiner Rückseite den Ichthys oder Fisch, ein frühes christliches Symbol, doch nach Form und Ausführung völlig unterschiedlich von den üblichen Funden; und mir erschien es realistischer, so als habe der alte Zeichner die Absicht gehabt, es nicht nur wie eine konventionelle Umrahmung, wie einen Nimbus aussehen zu lassen, sondern eher wie einen richtigen Fisch. Ich hatte den Eindruck, daß es da zum einen Ende hin eine Abflachung gab, die nicht so sehr wie eine bloße mathematische Dekoration aussah, sondern vielmehr wie eine Art grober oder gar heidnischer Zoologie.
    Um kurz zu erklären, warum ich diesen Fund für so bedeutsam hielt, muß ich Ihnen die Fundstelle beschreiben. Zum einen war sie gewissermaßen eine Ausgrabung in der Ausgrabung. Wir befanden uns auf der Spur nicht nur von Antiquitäten, sondern von Antiquitätenhändlern der Antike. Wir hatten Grund zu der Annahme, oder einige von uns dachten, wir hätten Grund zu der Annahme, daß diese unterirdischen Gänge, die meisten aus der minoischen Periode wie jener berühmte, den man jetzt mit dem Labyrinth des Minotaurus identifiziert, während all jener Jahrhunderte zwischen dem Minotaurus und den modernen Erforschern keineswegs vergessen und ungestört geblieben waren. Wir nahmen an, daß in diese unterirdischen Stätten, fast möchte ich sagen diese unterirdischen Städte und Dörfer, bereits während der

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