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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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deshalb fragte ich mich natürlich, wo wohl der Rest von ihnen war. Er würde sehr viel häufiger als nur einmal um den Hals des alten Mannes reichen. Damals verstand ich das nicht; und erst später erriet ich, wo die überschüssige Länge geblieben war. Sie war um den Fuß der Holzstütze gewickelt, die in der Ecke des Sarges festgekeilt war und den Deckel offen hielt. So daß, als der arme Smaill auch nur leicht an dem Kreuz zupfte, dies die Stütze aus ihrer Stellung zog und der Deckel ihm auf den Schädel krachte wie eine Steinkeule.«
    »Donnerwetter!« sagte Tarrant, »ich beginne zu glauben, daß Sie recht haben könnten. Eine eigenartige Geschichte, wenn sie zutrifft.«
    »Als mir das klar geworden war«, fuhr Father Brown fort, »konnte ich den Rest mehr oder weniger erraten. Denken Sie vor allem daran, daß es bisher außer für die Untersuchung selbst keinerlei kompetente archäologische Autorität gab. Der arme alte Walters war ein redlicher Altertumskundler, der damit beschäftigt war, das Grab zu öffnen, um herauszufinden, ob die Legende von einbalsamierten Körpern irgendeine Wahrheit enthielt. Alles andere waren Gerüchte von jener Art, die so oft solche Entdeckungen vorausnehmen oder übertreiben. Tatsächlich fand er heraus, daß die Leiche nicht einbalsamiert worden, sondern bereits vor langer Zeit zu Staub zerfallen war. Aber als er da beim Schein seiner einsamen Kerze in jener versunkenen Kapelle arbeitete, warf das Kerzenlicht noch einen Schatten außer dem seinen.«
    »Ah!« rief Lady Diana mit stockendem Atem. »Und jetzt weiß ich, was Sie sagen wollen. Sie wollen uns sagen, daß wir dem Mörder begegnet sind, mit dem Mörder sprachen und scherzten, ihn uns romantische Erzählungen erzählen ließen, und ihn dann unangetastet gehen ließen.«
    »Wobei er seine geistliche Verkleidung auf einem Felsen zurückließ«, stimmte Brown zu. »Es ist alles wirklich schrecklich einfach. Dieser Mensch kam dem Professor bei dem Wettlauf nach Friedhof und Kapelle vorauf, möglicherweise, während der Professor mit jenem melancholischen Journalisten sprach. Er fand den alten Geistlichen neben dem leeren Sarge vor und tötete ihn. Dann zog er sich selbst das schwarze Gewand der Leiche an und hüllte sie in einen alten Chorrock, der zu den wirklichen Funden der Untersuchung gehörte, und legte sie in den Sarg, wobei er den Rosenkranz und die hölzerne Stütze so arrangierte, wie ich das bereits beschrieben habe. Und nachdem er so die Falle für seinen zweiten Gegner aufgestellt hatte, stieg er hinauf ans Tageslicht und begrüßte uns alle mit der liebenswürdigen Höflichkeit eines Landgeistlichen.«
    »Da setzte er sich aber der erheblichen Gefahr aus«, wandte Tarrant ein, »daß jemand Walters vom Sehen kannte.«
    »Ich gebe zu, daß er halb von Sinnen war«, stimmte Father Brown zu, »aber Sie werden zugeben, daß die Gefahr sich gelohnt hat, denn schließlich ist er damit durchgekommen.«
    »Ich gebe zu, daß er großes Glück gehabt hat«, murrte Tarrant. »Und wer beim Teufel ist er?«
    »Wie Sie sagen, hatte er großes Glück«, antwortete Father Brown, »und nicht zuletzt in diesem Punkt. Denn das ist das einzige, was wir vielleicht niemals erfahren werden.«
    Er blickte einen Augenblick lang den Tisch mit gerunzelter Stirn an und fuhr dann fort: »Dieser Bursche hat seit Jahren auf der Lauer gelegen und gedroht, und dabei als einziges äußerst sorgfältig das Geheimnis gewahrt, wer er ist; und das hat er auch jetzt gewahrt. Wenn aber der arme Smaill wieder gesund wird, wovon ich überzeugt bin, dann werden Sie sicherlich noch mehr davon hören.«
    »Was wird denn Professor Smaill nach Ihrer Meinung tun?« fragte Lady Diana.
    »Als erstes wird er wohl«, sagte Tarrant, »diesem mörderischen Teufel Detektive wie Hetzhunde auf die Spur setzen. Am liebsten würde ich selbst mein Glück versuchen.«
    »Nun ja«, sagte Father Brown und lächelte plötzlich wieder nach jenem langen Anfall stirnrunzelnder Verwirrtheit, »ich glaube, ich weiß, was er als erstes tun sollte.«
    »Und was ist das?« fragte Lady Diana mit anmutigem Eifer.
    »Er sollte sich bei Ihnen allen entschuldigen«, sagte Father Brown.
    Doch stellte Father Brown fest, daß er nicht diese Frage mit Professor Smaill besprach, als er während der langsamen Genesung des bedeutenden Archäologen an seinem Bett saß. Auch war es nicht vorwiegend Father Brown, der sprach; denn obwohl dem Professor nur kleine Dosen des Anregungsmittels

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