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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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nicht einmal im Traume daran dächten, in Fragen, die religiöse Riten betreffen, etwas anderes als die traditionelle Religion ihres Vaterlandes heranzuziehen. Es wäre schwierig zu entscheiden, ob ihr Glaube ein sehr oberflächlicher Firnis ist oder ein sehr fundamentaler Untergrund; am wahrscheinlichsten ist er beides mit einer Menge Materialismus dazwischen. Wie dem auch sei: Als er zu der Ansicht kam, daß Fragen dieser Art auftauchen könnten, bat er Father Brown um seinen Besuch, obwohl er nicht den Anschein erweckte, als würde er in jenen Dingen diesem Aspekt den Vorzug geben.
    »Wissen Sie, ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie dabeihaben will«, war seine Begrüßung. »Eigentlich bin ich mir noch über gar nichts sicher. Ich kann beim Henker nicht rausfinden, ob das ein Fall für den Arzt, den Polizisten oder den Priester ist.«
    »Nun«, sagte Father Brown lächelnd, »da Sie sowohl Polizist wie Arzt sind, bin ich ja wohl eher in der Minderheit.«
    »Ich will zugeben, daß Sie in der Sprache der Politiker eine unterrichtete Minderheit sind«, erwiderte der Doktor. »Ich meine, ich weiß, daß Sie auch schon ein bißchen auf unserem Gebiet gearbeitet haben, genau wie auf Ihrem eigenen. Aber es ist reichlich schwierig zu sagen, ob diese Angelegenheit in Ihr Gebiet fällt oder in unseres, oder ganz einfach in das der Irrenärzte. Wir haben da gerade eine Nachricht von einem Mann bekommen, der hier in der Nähe lebt, in dem weißen Haus da oben auf dem Hügel, und der um Schutz vor mörderischer Nachstellung bittet. Wir haben die Tatsachen, so weit wir konnten, überprüft, aber vielleicht erzähle ich Ihnen die Geschichte, wie sie sich angeblich ereignet haben soll, besser von Anfang an.
    Anscheinend hat ein Mann namens Aylmer, ein reicher Grundbesitzer im Westen des Landes, erst ziemlich spät im Leben geheiratet und drei Söhne bekommen, Philip, Stephen und Arnold. Während seiner Junggesellentage aber, als er glaubte, er werde keinen Leibeserben haben, hatte er einen Knaben adoptiert, den er für brillant und vielversprechend hielt, mit Namen John Strake. Seine Herkunft scheint unklar; manche sagen, er sei ein Findelkind; andere, er sei ein Zigeuner. Ich glaube, daß diese zweite Behauptung mit dem Umstand zusammenhängt, daß Aylmer sich auf seine alten Tage mit allen möglichen zweifelhaften Okkultismen beschäftigt hat, einschließlich Handlesen und Astrologie, und die drei Söhne sagten, daß Strake ihn darin bestärkt habe. Aber sie haben noch eine ganze Menge Dinge außer dem behauptet. Sie behaupteten, daß Strake ein erstaunlicher Schuft und vor allem ein erstaunlicher Lügner sei; ein Genie im spontanen Erfinden von Lügen, die er so erzählen könne, daß er selbst Detektive täusche. Aber im Lichte der Ereignisse könnte das auch ganz gut ein natürliches Vorurteil sein. Vermutlich können Sie sich mehr oder weniger vorstellen, was sich ereignet hat. Der alte Mann hinterließ dem Adoptivsohn praktisch alles; und nachdem er gestorben war, fochten die leiblichen Söhne das Testament an. Sie behaupteten, ihr Vater sei so lange in Angst versetzt worden, bis er nachgegeben habe oder, um es rundheraus zu sagen, bis er zum lallenden Idioten wurde. Sie behaupteten, Strake habe über die sonderbarsten und ausgefuchstesten Wege verfügt, um trotz der Pflegerinnen und der Familie an ihn heranzukommen und ihn noch auf dem Sterbebett zu terrorisieren. Irgendwie scheinen sie aber irgend etwas im Zusammenhang mit dem Geisteszustand des toten Mannes nachgewiesen zu haben, denn die Gerichte verwarfen das Testament, und die Söhne erbten. Strake soll in der schrecklichsten Weise getobt haben und geschworen, er werde alle drei umbringen, einen nach dem anderen, und nichts könne sie vor seiner Rache verbergen. Jetzt hat sich der dritte oder letzte der Brüder, Arnold Aylmer, um Schutz an die Polizei gewandt.«
    »Der dritte und letzte«, sagte der Priester und blickte ihn ernst an.
    »Ja«, sagte Boyne. »Die beiden anderen sind tot.«
    Schweigen herrschte, bevor er fortfuhr. »Hier treten nun Zweifel auf. Es gibt keine Beweise, daß sie ermordet wurden, aber es könnte sein. Der älteste, der seine Stellung als ländlicher Grundherr einnahm, soll in seinem Garten Selbstmord begangen haben. Den zweiten, der sich als Fabrikant etablierte, traf in seiner Fabrik eine Maschine am Kopf; er könnte sehr wohl einen falschen Tritt getan haben und gestürzt sein. Wenn aber Strake sie getötet hat, dann ist er wahrlich

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