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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Gespräch erlaubt waren, konzentrierte er davon den Großteil auf diese Unterredungen mit seinem geistlichen Freund. Father Brown hatte die Gabe, auf ermutigende Weise zu schweigen, und Smaill ward dadurch ermutigt, über viele eigentümliche Themen zu sprechen, über die zu sprechen nicht immer leicht ist; etwa über die morbiden Phasen der Genesung und die monströsen Träume, die oftmals das Delirium begleiten. Es kann einen oftmals das Geschäft, sich langsam von einem bösen Schlag auf den Kopf zu erholen, aus dem Gleichgewicht bringen; aber wenn der Kopf so interessant ist wie der von Professor Smaill, können selbst seine Verstörungen und Verzerrungen originell und interessant sein. Seine Träume glichen kühnen und großen Entwürfen eher im Zeichenstil, wie sie in jenen starken, aber starren archaischen Kunstwerken zu finden sind, die er studiert hatte; sie waren voll von seltsamen Heiligen mit viereckigen und dreieckigen Heiligenscheinen, von ungewöhnlichen goldenen Kronen und Gloriolen rund um dunkle flache Gesichter, von Adlern aus dem Osten und jenem hohen Kopfputz bärtiger Männer, die ihre Haare wie Frauen aufbinden. Doch gab es, wie er seinem Freund erzählte, eine sehr viel einfachere und weniger verschlungene Gestalt, die ständig in seine einbildungskräftige Erinnerung zurückkehrte. Wieder und wieder wichen alle diese byzantinischen Muster verblassend zurück wie das verblassende Gold, auf das sie wie auf Feuer gezeichnet waren; und nichts blieb, als die dunkle nackte Felswand, auf die die schimmernde Form des Fisches gezeichnet war wie von einem Finger, der in die Phosphoreszenz der Fische tauchte. Denn dies war das Zeichen, das er einst emporschauend entdeckte in jenem Augenblick, als er zum ersten Mal um die Ecke des dunklen Ganges die Stimme seines Feindes hörte. »Und schließlich«, sagte er, »glaube ich, in Bild und Stimme eine Bedeutung erkannt zu haben; eine, die ich nie zuvor verstanden habe. Warum sollte es mich beunruhigen, daß ein Verrückter unter einer Million Gesunder, die in einer großen Gemeinschaft gegen ihn verbündet sind, sich rühmt, mich zu verfolgen oder mich in den Tod zu hetzen? Der Mann, der in der dunklen Katakombe das geheime Zeichen Christi zeichnete, wurde auf eine ganz andere Weise verfolgt. Er war der einsame Verrückte; die ganze gesunde Gesellschaft hatte sich zusammengeschlossen, nicht, um ihn zu retten, sondern um ihn zu ermorden. Ich habe manchmal herumgerätselt und gegrübelt und mich gefragt, ob dieser oder jener mein Verfolger sei; ob Tarrant; ob Leonard Smyth; ob irgend jemand von ihnen. Wenn sie es nun alle gewesen wären? Wenn es nun alle Menschen auf dem Schiff und im Zug und in dem Dorf gewesen wären. Wenn sie nun alle, was mich anging, Mörder gewesen wären. Ich glaubte, ich hätte ein Recht, besorgt zu sein, weil ich im Dunklen durch das Innere der Erde kroch und es da einen Mann gab, der mich vernichten wollte. Was wäre gewesen, wenn der Vernichter im Licht des Tages Herr der ganzen Erde und Befehlshaber aller Heere und aller Massen gewesen wäre? Was, wenn er imstande gewesen wäre, die Erde anzuhalten oder mich aus meinem Loch rauszuräuchern oder mich zu töten in dem Augenblick, in dem ich meine Nase ins Tageslicht hob? Wie wäre es, sich mit Mord in solchem Ausmaß befassen zu müssen? Die Welt hat derartige Dinge vergessen, wie sie bis vor kurzem Krieg vergessen hatte.«
    »Ja«, sagte Father Brown, »aber der Krieg kam. Der Fisch mag wieder in den Untergrund getrieben werden, aber er wird erneut ins Tageslicht auftauchen. Wie der heilige Antonius von Padua humorvoll bemerkte: ›Nur Fische überleben die Sintflut.‹«

Der Geflügelte Dolch
     
    F ather Brown fiel es zu einer gewissen Zeit seines Lebens schwer, seinen Hut an einen Garderobehaken zu hängen, ohne ein leichtes Schaudern zu unterdrücken. Der Ursprung dieser Idiosynkrasie war freilich nur ein Detail sehr viel komplizierterer Ereignisse; aber es war vielleicht das einzige Detail, das ihm in seinem geschäftigen Leben verblieb, um ihn an die ganze Angelegenheit zu erinnern. Der ferne Ursprung ist in den Tatsachen zu finden, die Dr. Boyne, den Polizeiarzt, veranlaßten, an einem besonders frostkalten Dezembermorgen nach dem Priester zu schicken.
    Dr. Boyne war ein großer dunkler Ire, einer jener ziemlich verblüffenden Iren, die man in der ganzen Welt finden kann und die des langen und breiten wissenschaftliche Skepsis, Materialismus und Zynismus vertreten, aber

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