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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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blaue Polizist kam um die Ecke des Halbkreises gerannt. Er kam direkt auf Brown zu.
    »Sie hatten recht, Sir«, keuchte er, »sie haben gerade die Leiche vom armen Mr. Smythe unten im Kanal gefunden.«
    Angus griff sich wild an den Kopf. »Ist er hinabgelaufen und hat sich selbst ertränkt?« fragte er.
    »Ich schwöre, daß er niemals heruntergekommen ist«, sagte der Wachtmeister, »und er wurde auch nicht ertränkt, denn er starb an einem tiefen Stich ins Herz.«
    »Und doch haben Sie niemanden eintreten gesehen?« sagte Flambeau mit ernster Stimme.
    »Wir wollen ein bißchen die Straße hinuntergehen«, sagte der Priester.
    Als sie am anderen Ende des Halbkreises ankamen, bemerkte er plötzlich: »Wie dumm von mir! Ich habe vergessen, den Polizisten etwas zu fragen. Ich möchte wissen, ob sie einen hellbraunen Sack gefunden haben.«
    »Warum einen hellbraunen Sack?« fragte Angus erstaunt.
    »Wenn es ein Sack von irgendeiner anderen Farbe war, fängt der Fall wieder von vorne an«, sagte Father Brown; »aber wenn es ein hellbrauner Sack war, dann ist der Fall erledigt.«
    »Das freut mich zu hören«, sagte Angus mit herzhafter Ironie. »Denn soweit es mich betrifft, hat er noch nicht einmal begonnen.«
    »Sie müssen uns alles darüber erzählen«, sagte Flambeau mit einer sonderbar gewichtigen Einfachheit wie ein Kind.
    Ohne es zu merken, schritten sie mit immer schnelleren Schritten die lange Biegung der Straße gegenüber dem hohen Halbkreis hinab, Father Brown führte hurtig, aber wortlos. Schließlich sagte er mit einer fast rührenden Unbestimmtheit: »Ich fürchte, Sie werden das alles sehr prosaisch finden. Wir beginnen immer beim abstrakten Ende der Dinge, und diese Geschichte kann man nirgendwo sonst beginnen.
    Haben Sie je bemerkt, daß Menschen nie auf das antworten, was Sie sagen? Man antwortet auf das, was Sie meinen – oder was Sie nach deren Ansicht meinen. Stellen Sie sich vor, da sagt eine Dame in einem Landhaus zu einer anderen: ›Ist irgend jemand bei Ihnen im Haus?‹, dann wird die Dame niemals antworten: ›Ja; der Butler, die drei Hausknechte, das Stubenmädchen und so weiter‹, obwohl das Stubenmädchen im Zimmer sein kann oder der Butler hinter ihrem Stuhl. Sie sagt: › Niemand ist außer uns im Haus‹, womit sie meint, niemand von der Art, die Sie meinen. Und nun stellen Sie sich vor, ein Arzt erkundigt sich im Zusammenhang mit einer Epidemie: ›Wer ist im Haus?‹, dann wird die Dame sich des Butlers, des Stubenmädchens und all der anderen erinnern. So wird Sprache immer verwendet; man bekommt eine Frage nie wörtlich beantwortet, selbst wenn man sie wahrheitsgemäß beantwortet bekommt. Als diese vier ehrlichen Männer sagten, daß keiner das Mietshaus betreten habe, meinten sie nicht wirklich, daß keiner es betreten hätte. Sie meinten keinen, den sie hätten verdächtigen können, Ihr Mann zu sein. Ein Mann ging ins Haus, und er kam heraus, aber sie haben ihn nicht wahrgenommen.«
    »Ein unsichtbarer Mann?« fragte Angus, und seine roten Augenbrauen hoben sich.
    »Ein dem Geiste unsichtbarer Mann«, sagte Father Brown.
    Ein oder zwei Minuten später sprach er in derselben unaufdringlichen Weise weiter wie ein Mann, der vor sich hin denkt: »Natürlich kann man erst dann an einen solchen Mann denken, wenn man an ihn denkt. Und das ist, wo seine Schlauheit ins Spiel kommt. Aber ich kam durch zwei oder drei kleine Dinge im Bericht von Mr. Angus darauf, an ihn zu denken. Da war erstens die Tatsache, daß dieser Welkin lange Spaziergänge unternahm. Und dann war da die Menge Markenpapier auf dem Fenster. Und dann waren da vor allem die beiden Dinge, die die junge Dame sagte – Dinge, die nicht wahr sein konnten. Werden Sie nicht böse«, fügte er rasch hinzu, als er eine plötzliche Kopfbewegung des Schotten bemerkte; »sie glaubte schon, daß sie wahr waren, aber sie können nicht wahr sein. Eine Person kann nicht ganz alleine in einer Straße sein, wenn sie eine Sekunde danach einen Brief bekommt. Sie kann nicht ganz alleine in einer Straße sein, wenn sie beginnt, einen Brief zu lesen, den sie gerade bekommen hat. Jemand muß ihr da sehr nahe sein; er muß dem Geiste unsichtbar sein.«
    »Warum muß ihr denn jemand nahe sein?« fragte Angus.
    »Weil«, sagte Father Brown, »wenn man Brieftauben ausschließt, ihr jemand den Brief gebracht haben muß.«
    »Wollen Sie damit etwa sagen«, fragte Flambeau heftig, »daß Welkin die Briefe seines Nebenbuhlers zur Dame seines

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