Einige werden überleben
Granaten?“
Dann hörte er, wie das Mädchen rief: „Joe.“
Er hielt inne und sah zu der Stelle, von der der Klang ihrer Stimme gekommen war. „Mist!“ murmelte er. „Ist ja egal“, seufzte er dann und rief in den Kampfraum hinunter: „Gebt mir Feuerschutz!“
Er sprang von dem Kampfwagen herunter. Seine Stiefel gaben auf der Panzerung einen metallischen Klang ab, bevor er auf den Boden sprang. Er stolperte nach vorn und fiel auf den Kies, sprang aber sofort wieder hoch und rannte zu der Stelle hin.
Überall um ihn herum schlugen Geschosse ein. Er stolperte über die Felsen, sprang von der einen Richtung in die andere und versuchte, Haken zu schlagen, um dem Feuer auszuweichen. Hutchinson schoß die nächste Leuchtkugel ab. Nun färbte sich die Nacht rot, unterbrochen von dem hellen Schein der Leuchtspurgeschosse, die die suchenden MGs aus ihren Kuppeln versprühten. Er hörte, wie die Ketten auf dem Kies rutschten und dann Halt fanden. Der ganze Wagen stöhnte, als die Motoren ihn nach vorn schoben.
Das Mädchen rannte auf ihn zu. Hinter den Felsen saßen Männer, die nun sorgfältig zielten.
„Joe!“
„Schon gut, verdammt noch mal!“ Er nahm sie auf und schleuderte sie in Richtung des Wagens vor ihm. Auf seinem Rücken spürte er die heiße Spur einer Kugel, aber dann war der Wagen praktisch über ihnen. Lew hatte das Fahrerluk aufgemacht, und Custis stieß das Mädchen hinein. Danach kletterte er an der Seite des Wagens hoch und in die Kommandantenkuppel hinein. „Alles klar!“ keuchte er in das Mikrophon. „Ab geht’s nach Hause.“
Über ihm schlug die Kuppel zu. Er fiel in den Kampfraum und landete sehr hart auf der Seite. Lew blockierte eine Kette und ließ den Wagen auf der Stelle drehen. Der Krach im Kampfraum hörte sich an, als säßen sie in einem Waschkessel, gegen den jemand von außen Steine wirft.
Robb sah ihn an und schlug mit der flachen Hand leicht auf die Verschlüsse der 75er. „Feuer eröffnen, Joe?“
„Nein! Nein – laß die armen Schweine in Ruhe.“
Er sah zu dem Mädchen hinüber. „Hallo, Jody“, sagte er und grinste.
Der Halbkettenkampfwagen holperte den letzten Hang hinunter. Unter seinen Ketten schleuderte er Steine weg und biß Fladen aus dem Präriegras. Custis stemmte die Hände gegen die Kante des Luks und schaute finster über die Ebene, die vor ihm lag. Jenseits des grünen Horizonts lag Chicago. Die Berge hatte er satt.
Er war auf dem Weg nach Chicago. Er dachte an die tiefen Löcher im Asphalt der State Street. Es fröstelte ihn ein wenig.
Nachwort
In den letzten Jahren war, abgesehen von einem einzigen neuen Roman, Michaelmas, im Jahre 1977 von Algis Budrys so gut wie nichts mehr in der Science Fiction zu vermelden. Dabei galt und gilt Budrys, Sohn litauischer Einwanderer und 1931 noch in Europa geboren, als einer der wichtigsten Autoren der fünfziger und frühen sechziger Jahre, der mit vielen Kurzgeschichten sowie mit Romanen wie Who? (1958, Zwischen zwei Welten) und vor allem Rogue Moon (1960, Projekt Luna) Furore machte. Der vorliegende Roman, Some Will Not Die (Einige werden überleben) wurde 1961 erstmals in voller Länge veröffentlicht, basiert aber auf Kurzgeschichten, die auf die Jahre 1954 und 1957 zurückgehen und gilt deshalb als erster Roman des Autors.
Was wäre, wenn …? In der einen oder anderen Form offen, versteckt, als Haupt- oder Randthema, dem Autor bewußt oder unbewußt, steht diese Frage hinter jedem Stück SF-Literatur. Was wäre also, wenn eine Seuche die Bevölkerung eines großen Landes drastisch dezimierte und die Überlebenden vereinzelte, wenn Produktion und Distribution zusammenbrächen und von außen keine Hilfe zu erwarten wäre? Ja, was wäre dann?
Algis Budrys’ Antwort kennen Sie, wenn Sie diesen Roman gelesen haben: Die Menschen kämpfen bis aufs Blut um die verbliebenen Vorräte, jeder ist sich selbst der nächste, jeder Fremde ein Feind, zu trauen ist allenfalls den Mitgliedern der eigenen Familie. Das ist bei Budrys die erste Phase.
Die zweite Phase besteht in der Stammesbildung: Alle einsamen Wölfe oder Kleingruppen des riesigen Apartmenthauses mitten in New York werden mehr oder weniger durch Zwang zu einer Zweckgemeinschaft – will heißen: Plündererbande – zusammengeschweißt.
In der dritten Phase kommt es zu Bandenkriegen, als deren Folge die Zwangsvereinigung aller Banden/Stämme im Umkreis zu einem großen Stamm, einer neuen Stadtgemeinschaft, angesagt ist.
Vierte Phase:
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