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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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ließ die blau-silberne Flagge im Wind flattern, und Garvins Jacke spannte sich über seinem steifen Rücken, als Begley zum Sammeln blies.
    Er blieb regungslos stehen, bis die Männer sich aus ihren Zelten herausgearbeitet hatten und angetreten waren.
    „Das ist jetzt eine Armee“, hatte Berendtsen gesagt. „Sie repräsentiert eine Nation. Und eine Nation benötigt ständig eine verfügbare Armee. Die Antwort ist eine Tradition, die darauf gerichtet ist, immer eine Armee zu haben, Jim. Ich möchte, daß du darauf achtest, daß sie auch ein bißchen wie eine Armee aussieht.“
    Die Männer hatten sich nach und nach an Disziplin gewöhnt, nachdem ihnen einmal klargeworden war, daß ihre Wirksamkeit als Organisation dadurch wuchs, solange alles innerhalb vernünftiger Grenzen blieb. Und das war nur eine der vielen Veränderungen, die sich eingestellt hatten, während die VA sich ihren Weg die Ostküste hinunter freikämpfte.
    Die VA hatte einen langen Weg hinter sich, und das in jeder Beziehung. Der wilde Haufen von damals hätte heute nicht einmal eine Chance gegen eine einzige Vorausabteilung von Berendtsens Armee. Selbst die kampferprobte und organisierte Streitmacht, die vom Nord-Feldzug aus nach New York zurückmarschiert war, wäre von einer der jetzt existierenden Spezialeinheiten zerschmettert worden – Eisners gepanzerte Verbände etwa, die durch die sintflutartigen Regen des Tampa-Feldzugs wie wütende Bluthunde ihren Weg genommen hatten –, um dann von der Infanterie den Rest zu bekommen. Als die silberblaue Fahne über Key West wehte, hatte die VA bereits viel gelernt. Viel gelernt, viele Männer aufgenommen, viel geplündert. Noch mehr hatte sie gelernt, als sie nach Norden zurückkehrte, Widerstandsnester ausräumte und Garnisonen in der gewohnten Strategie hinterließ, die Berendtsen während des Nord-Feldzugs entwickelt hatte.
    Alles, was östlich der Alleghenies lag, gehörte also jetzt Berendtsen. Garvins Blick schwang düster über die Reihe von schweigsamen Männern, die reglos warteten.
    Die Männer wirkten mager und hart in ihren Uniformen – alte Marineuniformen mit Helmen und Koppelschlössern, die mit mattgrauer Farbe aus einer Maschinenfabrik angestrichen waren.
    Die meisten von ihnen wären wahrscheinlich jedem Soldaten gewachsen gewesen, den es jemals auf der Welt gab, so ausgesucht und erfahren wie sie waren. Und warum sie kämpften … Drei Mahlzeiten am Tag und das Gefühl, daß ihr Leben einen Sinn hatte, reichten als Grund. Jeder Soldat bekam noch etwas von der Beute ab – Beute wie Uhren und Feuerzeuge, weniger Luxusartikel als Gebrauchsgegenstände –, erhielt ein Stück Land, das er sich zur Bebauung nach seiner Entlassung verdient hatte, und bekam die Möglichkeit, eine Frau zu finden.
    Garvin nahm den Rapport entgegen, ohne seine Augen von den Männern zu lösen.
    Nur ein paar von ihnen fühlten sich Berendtsen persönlich verpflichtet, aber sie folgten ihm alle. Garvin fragte sich, wie sie empfinden würden, wenn sie über die Appalachen nach Westen geführt werden würden. Er fragte sich außerdem, was er selbst empfinden würde – und entdeckte, daß sein Bewußtsein der Frage ausgewichen war.
    Er hörte, wie Berendtsens Hand den inneren Griff der Wagentür herabdrückte. „Aaaach-tung“, brüllte er, und die Blicke der bereits stocksteifen Männer hefteten sich auf die Tür. In den Zelten schworen manche, daß sie das nächste Mal nicht so genau hinschauen würden, wenn die Wagentür aufging. Keiner hielt sein Versprechen.
    Die Tür ging auf. Garvin trat zur Seite und hielt sie auf. Als Berendtsen drei Schritte vorwärts auf das Lager zuging, schloß er sie wieder.
    Er trug einen schwarzgefärbten Overall mit einem Gürtel, und nur Garvin, der ein paar Schritte seitlich hinter ihm stand, konnte sehen, daß sein Bauch schwerer als früher war. Er sah das Regiment mit seinem üblichen undurchdringlichen Gesichtsausdruck an, und heute sah Garvin zum erstenmal, ohne deutlichen Grund, daß die Jugendlichkeit seines Gesichts weiter nichts als eine Maske war. Seine Gesichtshaut war wächsern, als hätte jemand einen Abdruck der Züge des jungen Ted Berendtsen genommen und sie auf den alten Schädel gesetzt. Die müden Augen sahen unter dem jungenhaft gekämmten, aber dunkelnden Haar durch diese Maske. Um seinen Hals hatte er einen Kranz von tiefen Falten.
    „Alle Mann vollzählig“, meldete Garvin.
    Berendtsen nickte kurz. „Guten Morgen, Jim.“ Seine Augen veränderten

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