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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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weniger um die Umgangsformen sorgen würdest; mach dir mal ein paar weniger Sorgen darum, in jeder Situation unter allen Umständen das Richtige zu tun, und hör mir mal zu. Hier und jetzt. Setz dich mal her, damit wir uns über ein paar Sachen unterhalten können.“
    „Es tut mir leid, Sir“, sagte er mit einer Stimme, die aus Nervosität härter und rauher klang, als er es beabsichtigt hatte, „aber das kommt gar nicht in Frage. Ich schlage Ihnen vor, daß Sie entweder Ihre Pflicht als Familienoberhaupt tun oder Ihre mangelnde Bereitschaft dazu eingestehen.“
    „Warum?“
    Die Frage war nicht so überraschend, wie sie es am Anfang dieser phantastischen Szene gewesen wäre. Sie diente jedoch dazu, einen Punkt deutlich zu machen. Cottrell war sich klar darüber, daß sie nicht als trotzige Beleidigung gemeint war. Sie war eine echte und ernstgemeinte Frage, und die Tatsache, daß Mr. Holland nicht in der Lage war, die Antwort zu verstehen, war der Beweis, daß der Rat seiner Mutter zu Recht gegeben worden war. Mr. Holland war kein Gentleman.
    Ihm blieb ganz offensichtlich nur ein Weg offen, wenn er nicht alle Hoffnung auf Barbaras Hand aufgeben wollte. So unglaublich es auch scheinen mochte, bestand er darin, die Frage mit vollem Ernst zu beantworten und damit einen Versuch zu unternehmen, in die eingefahrenen und – offen gesagt – versteinerten Denkgewohnheiten von Mr. Holland etwas Verständnis hineinzuzwingen.
    „Ich würde doch meinen, daß es kaum notwendig ist, Sie daran zu erinnern, daß die Integrität eines Individuums sein kostbarster moralischer Besitz ist. In diesem besonderen Fall habe ich die Integrität Ihrer Tochter verletzt, und damit, durch die Blutsverwandtschaft, auch die Ihrer Familie.“ Cottrell schüttelte im Dunkeln seinen Kopf. Er könnte es zwar erklären, aber seine Stimme zeigte den Grad seiner Empörung.
    „Was ist das?“ Hollands eigene Stimme wurde ungeduldig.
    „Wie bitte, Sir?“
    „Integrität, verdammt noch mal! Eine Definition will ich hören.“
    „Integrität, Sir! Also, jedermann …“
    Holland schnitt ihm mit einem Fluch, der Enttäuschung ausdrückte, das Wort ab. „Ich hätte es besser wissen und nicht fragen sollen! Du kannst es nicht einmal in Worten ausdrücken, aber ihr bringt euch um dafür. In Ordnung, sprich nur weiter, aber erwarte nicht von mir, daß ich dir dabei helfe, wie du aus dir selber einen Vollidioten machst.“ Er seufzte. „Geh nach Hause, meine Junge. Vielleicht kannst du in zwanzig Jahren oder so soviel Mumm zusammenkratzen, daß du dich nähern und an die Haustür klopfen kannst wie ein Mann, wenn du Barbara sehen willst.“
    Durch den Nebel seiner fast überwältigenden Wut erkannte Cottrell, daß er jetzt nichts mehr sagen konnte, was Holland verletzen könnte. „Ich bin sicher, daß Barbara mich nicht empfangen würde, wenn ich das tun würde“, brachte er schließlich mit ruhiger Stimme hervor, dankbar darüber, daß ihm dies gelungen war.
    „Nein, wahrscheinlich nicht“, meinte Holland voll Bitterkeit.
    „Dazu ist ihre Scheiß-Erziehung, die sie ihren gottverdammten Tanten verdankt, zu gut!“
    Bevor Cottrell darauf reagieren konnte, spuckte Holland auf den Boden, dreht ihm wie ein Feigling den Rücken zu und ging mit großen Schritten die Straße hinunter.
    Cottrell stand allein in der Nacht. Seine Hände hatten den Patronengurt ergriffen, und er mahlte die Patronen aneinander. Danach drehte er sich um und trottete nach Hause.
     
    Er stellte seinen Karabiner auf dem Waffenständer der Familie in der Eingangshalle ab und ging leise in Mokassins im Erdgeschoß herum, um das Alarmsystem wieder einzurichten und anzuschalten. Manchmal blieb er stehen, seine Muskeln verspannten sich, und er biß die Zähne aufeinander, weil er wieder daran dachte, was geschehen war. Das Problem war so unglaublich kompliziert, daß es ihn überwältigte, weil es kein klares Bild bot, das er angehen und logisch analysieren konnte.
    Der Fehler lag natürlich in erster Linie bei ihm selbst. Er hatte einen vorsätzlichen Bruch von Integrität begangen. Erst in seiner weiteren Verästelung verlor das Problem seine Klarheit.
    Er hatte Barbara Holland nachspioniert, und das wiederholt. Ihr Vater hatte diese Tatsache herausgefunden. Heute abend hatte Holland ihm aufgelauert, statt eine direkte Herausforderung auszusprechen. Dann, nachdem er Cottrell darüber informiert hatte, daß er über seine Handlungen Bescheid wußte, hatte er sich nicht nur nicht

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