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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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Tag legte, hatte noch nicht nachgelassen – obwohl es durchaus wahrscheinlich war, daß sie die Entfernung jedes möglichen Ziels in der Umgebung auswendig wußte. Das aber war, selbst wenn es stimmte, keine Verletzung ihrer Pflicht, sondern eine wertvolle Fertigkeit.
    „Sehr gut“, ließ er sich über die Sprechanlage des Hauses vernehmen. „Alle Mitglieder des Haushalts können jetzt zu ihren normalen Pflichten zurückkehren, mit Ausnahme der Kinder, die sich bei mir für die Schulung melden.“
    Der Gefechtsplatz seiner Mutter war am Radarschirm, der nur ein paar Meter von seinem Feuerleitstand entfernt war. Sie lächelte zustimmend, als sie wieder auf Automatik umschaltete. Sanft legte sie ihre Hand auf seinen Arm, als er aufstand.
    „Ich bin sehr, sehr froh, Cottrell“, sagte sie mit einem Lächeln.
    Er verstand zuerst nicht, was sie meinte, und sah sie leer an.
    „Ich hatte befürchtet, du würdest deine Pflichten verletzten, wie das so viele unserer Nachbarn tun“, erklärte sie. „Aber ich hätte nicht an dir zweifeln sollen, nicht einmal so viel.“ Der Stolz auf ihn schwang stark in ihrer Stimme mit. „Dazu bist du zu stark. Ich hatte sogar Befürchtungen, daß deine Enttäuschung nach unserem kurzen Gespräch gestern dich ablenken könnte. Ich habe mich aber getäuscht, und du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, dich so zu sehen.“
    Er beugte sich herab und küßte sie rasch auf die Wange, um sie seine Augen nicht sehen zu lassen. Dann eilte er zu der Halle, wo sich die Kinder schon versammelt und ihre Waffen aus dem Ständer geholt hatten.
     
    Am frühen Nachmittag hatten sich die jüngeren Kinder schon zurückziehen dürfen, und er war mit seinen beiden ältesten Brüdern allein auf dem Übungsgelände.
    „Unten bleiben!“ rief Cottrell Alister zu. „Du wirst deine Abschlußprüfung nie bestehen, wenn du es nicht lernst, dich auf einer Hügelkuppe niedriger zu halten!“ Er riß seinen Karabiner an die Wange und zerschoß neben dem Hinterteil seines Bruders einen Zweig, um zu zeigen, was er meinte.
    „Jetzt du“, fuhr er zu Geoffrey herum. „Wie habe ich die Windgeschwindigkeit geschätzt? Schnell!“
    „Gras“, sagte Geoffrey lakonisch.
    „Falsch! Du hast das Gelände seit zwei Wochen nicht gesehen. Du hast keine genaue Vorstellung, wieviel Wind dazu nötig ist, das Gras in seinem jetzigen Zustand zu bewegen.“
    „Du hast mich gefragt, wie du es gemacht hast“, erinnerte ihn Geoffrey.
    „Stimmt“, gab Cottrell kurz zurück. „Der Punkt geht an dich. Also, wie würdest du es machen?“
    „Mit Gefühl. Paß mal auf.“ Das leichtere Gewehr von Geoffrey krachte mit einem Geräusch, das ähnlich klang wie jener brechende Zweig, der nun fünf Zentimeter unterhalb der Stelle sich spaltete, an der Cottrells schwereres Geschoß ihn gebrochen hatte.
    „Du hast also ein Gefühl dafür, meinst du?“ Seltsamerweise war Cottrell froh darüber, ein Ventil für seinen Ärger zu finden. „Mach’s noch einmal.“
    Geoffrey zuckte die Achseln und schoß zweimal. Der Ast zersplitterte, und von Alister kam ein lauter Protest. Cottrell fuhr herum und sah Geoffrey wütend an.
    „Hab’s neben seine Hand gesetzt“, erklärte Geoffrey. „Wird wohl noch ein bißchen Dreck ins Gesicht gekriegt haben.“
    Cottrell sah zu der Stelle hinüber, wo sich das Gras wild bewegte, weil Alister versuchte, sich unter seinem Schutz wegzurollen. Er nahm sich noch die Zeit, sich das Ungeschick seines Bruders zu notieren, bevor er sagte: „Du konntest seine Hand doch überhaupt nicht sehen – oder sonst irgend etwas außer der Spitze seines Hinterns, da wir gerade davon sprechen.“
    Geoffreys Siebzehnjährigen-Gesicht zeigte eine geheime Belustigung. „Ich hab’ mir nur überlegt: Wenn ich Alice wäre, dann hätte ich meine Hände dort. Ist doch einfach.“
    Cottrell merkte, wie die Bedrohung seiner Position als bester Kämpfer der Familie wie eine Gewitterwolke um ihn herum immer dicker wurde.
    „Ausgezeichnet“, sagte er beißend. „Du hast einen Instinkt für den Kampf. Nehmen wir aber mal an, deine Patrone wäre fehlerhaft gewesen, und zwar so schlimm, daß dein Geschoß ein wenig nach rechts abgekommen wäre. Dann hättest du deinen Bruder umgebracht. Und dann?“
    „Die Patronen hab’ ich selbst angefertigt. Meinst du, ich wäre so blöd, diesem Möchtegern-Waffenschmied mit zwei linken Händen im Laden zu vertrauen?“ Geoffrey war unangreifbar. Cottrells schlechte Laune

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