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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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frage ich.
    »Die Boundary Waters sind eine Seenlandschaft von zehntausend Quadratkilometern, die man weder mit Motorbooten befahren noch mit Flugzeugen überfliegen darf. Ein Teil der Seefläche ist vom Laub der Bäume verdeckt. Überall gibt es Tiere, die ein großes Raubtier fressen könnte, ohne dass es jemandem auffällt. Das Gebiet steht seit 1910 oder so unter Naturschutz – weil ein Freund von Teddy Roosevelt dort Urlaub gemacht hat und ihm die Gegend gefiel. [12] Und außerdem ist das Ganze von einem Nationalforst, einem Nationalpark und einem kanadischen Provinzpark umgeben und grenzt an den Lake Superior.«
    »Dann spielt es keine Rolle, wie groß das Gebiet ist oder ob es unter Naturschutz steht«, erwidere ich. »Wenn es an den Lake Superior grenzt, waren die Pelztierjäger schon überall. Und wenn die ein Ungeheuer gesehen hätten, hätten sie einen Filzhut daraus gemacht.«
    »Vielleicht war es damals noch nicht da. Oder noch nicht erwacht. Vielleicht hat es sich versteckt. Man hat schon den ganzen Loch Ness abgesucht, und doch wissen wir nicht, was sich da unten verbirgt.«
    »Doch, das wissen wir. Jeder Zentimeter von Loch Ness wurde mit einem Sonargerät abgetastet.«
    »Nicht die Tunnel und Höhlen in den Wänden.«
    »Die sind bloß ein Märchen. Die Wände von Loch Ness sind aus reinem Basalt, und der Grund ist flach. Wir wissen sogar, wie viele Golfbälle dort liegen. [13] Sie sollten mal Ihre Paläontologin danach fragen. Wenn sie nicht gerade mit Ihren geheimen Aufträgen beschäftigt ist.«
    Das ignoriert er. »Und was ist mit dem Alten auf dem Video?«
    Ich möchte nicht mehr an diesen Typ denken. »Zugegeben, er hat eine gute Story erzählt. Das heißt aber nicht, dass er überleben kann, wenn ihm das Bein abgebissen wird und niemand da ist, um es abzubinden.«
    »Vielleicht hat er es selbst abgebunden. Wir wissen, dass er ein Bungeeseil hatte.«
    »Er
behauptet
, dass er eins hatte. Vielleicht hat er es zum Abbinden benutzt. Und vielleicht wurde sein Bein so fest zusammengequetscht, dass sich die Kniekehlen- und die Oberschenkelarterie zuklemmten. Aber das ist nicht allzu wahrscheinlich. Die meisten ungeübten Menschen, die einen Arm oder ein Bein abbinden wollen, können den arteriellen Fluss nicht unterbrechen, sondern bloß den venösen Rückfluss, und das macht alles noch schlimmer. Die meisten
nüchternen
Menschen.« Ich schaue mich nach einer Uhr um. Sehe keine. »Ich kann nicht glauben, dass wir uns über so ein Zeug unterhalten.«
    »Tun wir das denn? Sie scheinen für andere Ansichten nicht besonders offen zu sein.«
    »Bin ich auch nicht.«
    »Sie scheinen wütend zu sein.«
    Da ist was dran. Ich bin wirklich verdammt wütend.
    Irrationalität bringt mich im Allgemeinen auf die Palme. Aber so was von
Rec Bill
zu hören? Jemandem, der viel zu reich ist, um ständig so dumm zu sein, der aber, wenn er schon mal launisch sein will, ausgerechnet mich anruft? Obwohl er weiß, dass ich, wie jeder andere, alles stehen und liegen lasse, um mich mit ihm zu treffen, weil ich glaube, durch diesen Unsinn einen Job zu bekommen?
    Eigentlich liegt da das Problem. Das hier ist nicht Rec Bills Schuld. In diesem Szenario ist nicht er derjenige mit den Wahnvorstellungen.
    »Hören Sie«, sage ich. »Wie lange sind Sie jetzt schon in Remission?«
    Das verblüfft ihn. »Hat Professor Marmoset Ihnen das erzählt?«
    »Nein. So was würde er nie tun.«
    »Wie haben Sie’s dann rausgefunden?«
    »Ich bin Arzt. [14] Magen oder Dickdarm?«
    »Dickdarm«, sagt Rec Bill. »Stufe  3 . Vor sechs Jahren. Eigentlich müsste ich schon seit einem Jahr tot sein.«
    »Dann haben Sie’s also geschafft.«
    »Bis jetzt.« Er klopft auf die Glasplatte des Schreibtischs.
    »Aber Sie haben auch begriffen, dass Sie irgendwann sterben werden. Zumindest, wenn kein Wunder geschieht.«
    In seinem Gesicht blitzt Selbstherrlichkeit auf. »So würde ich es nicht formulieren.«
    »Sind sie beim Singularity Movement?«
    »Ja.«
    »Okay.«
    »Was soll das heißen, ›okay‹?« [15]
    »Die Grenzen der Realität zu erkunden, ist nichts, wofür man sich schämen muss. Aber so ein Unsinn wie das White Lake Monster hilft da nicht weiter. In der realen Welt gibt es Regeln, und reale Gegenstände neigen dazu, diesen Regeln zu gehorchen. Nur für Gefühle und Erfahrungen gilt das nicht. Wenn Sie Zauberei wollen, sollten Sie versuchen zu meditieren. Oder ein Kinderkrankenhaus bauen.«
    »Finden Sie das nicht ein bisschen

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