Einmal Himmelblau und zurueck
Irgendwie muss man sein Leben ja finanzieren. Außerdem kann ich da zusammen mit meinem besten Freund Tom arbeiten. Spaß und Job vereint – was will man mehr.
Wie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit helfe ich zudem meinem Onkel beim Verkauf von Glühwein an seinem Stand.
Ich bin fertig mit dem Abwasch und brauche jetzt dringend eine Pause. Auf der anderen Seite des Tresens ist es ruhig, der Ansturm ist vorbei, und ich greife nach meinen Zigaretten.
»Ich geh eine rauchen«, werfe ich Nikki im Vorbeigehen zu. Sie nickt nur, ohne mich anzusehen. Ihre Augen kleben an Alex, ihrem neuen Freund. Die beiden sind ja so in love . Mann, geht mir das auf den Keks.
Seit zwei Wochen höre ich nichts anderes mehr als Alex. Alex hier, Alex da. Ich verabscheute den armen Jungen schon, bevor ich ihn überhaupt kennenlernte. Dunkle Haare, Drei-Tage-Bart, Nasenpiercing, Lippenpiercing und noch einen Ring durch die Augenbraue. Dazu noch einen Tunnel im rechten sowie im linken Ohrloch. Wo er noch überall Piercings besitzt, weiß ich dank Nikkis detaillierten Beschreibungen jetzt auch.
Kopfkino aus. Schönen Dank auch.
Seine Hose hängt ihm fast in den Kniekehlen und ich bin jedes Mal wieder versucht, ihm die Erklärung dafür unter die Nase zu reiben: dass die Knastbrüder in den USA durch unterschiedlichen Sitz der Jeans die Sex-Bereitschaft der Häftlinge interpretierten. Aber ich will kein Spielverderber sein und daher gucke ich einfach nicht mehr hin.
Dass er allabendlich mindestens eine Stunde vor der Bude wartet, um Nikki nicht schutzlos durch die Nacht laufen zu lassen, rechne ich ihm hoch an. Dass er während des Wartens meist zwei Glühwein mit Schuss für lau trinkt, übersehe ich geflissentlich.
»Jo? Kommst du mal?« Nikki ruft nach Hilfe.
Ich ziehe noch einmal an meiner Kippe und drücke sie hastig im Aschenbecher aus, bevor ich die Tür zur Bude öffne. Aber statt der erwarteten Menschenmassen stehen nur zwei ältere Damen am Tresen und warten auf Bedienung. Ich knurre Nikki an, die weiterhin ungestört mit ihrem Alex flirtet, und kicke ihr im Vorbeigehen mit dem Fuß gegen die Wade. Mit einem Lächeln im Gesicht.
That’s me.
Johanna Bentheim. Aber ihr dürft mich gerne Jo nennen.
Herzlich willkommen in meinem Chaos.
Verpeilt
Ich habe die Nase gestrichen voll!
Es ist Sonntag. Mein freier Sonntag, wohlgemerkt. Und es regnet. Und damit ist mein Schicksal besiegelt. Anstatt gemütlich mit Kaffee und dem neuen Roman faul in meinem Bett zu liegen, stehe ich mir in der Eiseskälte die Beine in den Bauch. Und warum? Weil ich kein schlechter Mensch bin, sondern Single.
Sam hat die Nacht durchgemacht und ist unfähig, seine Schicht zu schieben. Er hat mich am frühen Morgen sturzbetrunken per Handy aus dem Schlaf geklingelt und angebettelt, für ihn einzuspringen.
»Du hast doch bestimmt nichts vor heute, oder? Hey, es ist Sonntag? Du bist Single! Boooring!«, tönte es durchs Telefon. Danke für den Spiegel! Ja, ja, Sonntag. Eben!
Nun ja, wenn ich ehrlich bin, konnte ich mich sowieso kein Stück auf den Roman konzentrieren. Liebesschnulze, vor Schmalz triefend, ist wohl doch nicht das, was ich zur Zeit lesen sollte. Schon nach den ersten fünf Seiten, auf denen sich das zukünftige Liebespaar viele tiefe Blicke zugeworfen hat, habe ich bemerkt, dass ich einfach noch nicht bereit bin, mich auf diese Gefühlsduselei einzulassen. Und sei es auch nur auf dem Papier. Die Sache mit Stefan sitzt mir noch zu sehr in den Knochen. Und außerdem: Liebe auf den ersten Blick. Ha! So ein Quatsch!
Letztendlich war ich froh, dass Sams Anruf mich da rausgeholt hat. Auch wenn ich das ihm gegenüber niemals zugeben würde!
Mutterseelenallein stehe ich nun im Glühweinstand und schaue den Tropfen zu, die vom Dach auf den Tresen fallen. Plitsch. Platsch. Plitsch. Platsch.
Genervt stelle ich mich an die Tür und zünde mir eine Zigarette an. Schon die Dritte seit Beginn meiner Schicht. Mist. Und dabei wollte ich weniger rauchen.
Sonntage auf dem Weihnachtsmarkt sind normalerweise toll. Familientag. Die Eisbahn ist voll besetzt, die Musik aufgedreht, die Leute gut drauf und die Hütte brummt. Glückliche Menschen überall und reichlich Trinkgeld. Doch wenn es regnet, kommt niemand. Außer ein paar Touristen vielleicht, die sich verirrt haben.
In der Regel schieben wir die Sonntagsschicht zu zweit, weil es alleine nicht zu schaffen ist. Bei diesem Wetter aber ist einer bereits zu viel. Ich würde am liebsten
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