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Die Zwillingsschwestern

Die Zwillingsschwestern

Titel: Die Zwillingsschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    D ie Nacht draußen war warm und schwül, und in meiner Wohnung hatte
ich eine warme, leidenschaftliche Blondine zurückgelassen. Ich vermutete, daß
sich ihrer inzwischen dasselbe schale Gefühl der Entzauberung bemächtigt hatte,
das ich empfand. Für meinen Geschmack gibt es um Mitternacht heiterere
Plätzchen als das Leichenschauhaus.
    Ich sah
Katz, den Verwalter des Leichenschauhauses, voller Widerwillen an. »Sind Sie
sicher, daß Sie sich nicht bloß verzählt haben, Charlie?« fragte ich ihn.
    »Leutnant
Wheeler«, verwahrte er sich. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, die Beule auf
meinem Hinterkopf sei ein Traumgebilde?«
    »Schon
möglich«, meinte ich. »Sie sind hier fast wie zu Hause — in Ihren Träumen kann
alles mögliche passieren.«
    »Sie
ist weg«, stellte er fest.
    »Wer
braucht schon eine Leiche?« wunderte ich mich. »Wer klaut schon eine Leiche?
Was kann man damit anfangen? Man kann sie noch nicht einmal versetzen.«
    »Das
herauszufinden ist Ihre Aufgabe«, sagte Charlie indigniert.
    »Der
Kummer mit Ihnen ist, Charlie, daß Sie keinen Humor haben«, sagte ich ihm. »Und
ziehen Sie Ihre Stielaugen ein, sonst fallen sie Ihnen noch raus.«
    »Wollen
Sie denn gar nichts unternehmen?« fragte er jammernd. »In den zwanzig Jahren,
in denen ich hier bin, Leutnant, ist so was noch nie passiert, noch nie!«
    »irgendwann
muß es immer ein erstes Mal geben«, erwiderte ich. »Genau das habe ich dieser
Blonden gesagt, bevor ich durch den Anruf des Sheriffs so roh unterbrochen
wurde. Was ist eigentlich passiert?«
    »Jemand
klopfte an die Tür«, sagte Charlie mit heiserer Stimme. »Das ist recht
ungewöhnlich, Leutnant, meistens kommen sie so herein.«
    »Die
Leichen?«
    »Die
Leute!« knurrte er. »Wollen Sie’s jetzt hören oder nicht?«
    »Ich
will zwar nicht, aber mir bleibt keine andere Wahl«, seufzte ich. »Fahren Sie
fort.«
    »Ich
ging also hinaus, um nachzusehen, wer es war«, berichtete er weiter, »und in
dem Augenblick, als ich aus der Tür trat — bums!«
    »Bums?«
    »Haute
mich jemand auf den Kopf«, erklärte Charlie mit einem Mitleid heischenden
Blick. »Als ich wieder aufwachte, war ich allein. Ich rief das Büro vom County
Sheriff an und...«
    »Und
erwischten mich«, sagte ich. »Danach schauten Sie nach den Leichen?«
    »Klar«,
nickte Charlie. »Ich habe hier eine gewisse Verantwortung, Leutnant, auch wenn
Sie das nicht zu würdigen wissen. Ich entdeckte, daß eine fehlte!«
    »Halten
Sie es für möglich, daß irgendein Junge sich eine >Selbst-ist-der-Mann<-Arztausrüstung
mit richtigem Skalpell besorgt hat und nun ein geeignetes Versuchsobjekt
brauchte?« Da sah ich den Ausdruck auf Charlies Gesicht und sagte schnell:
»Schon gut. Beschreiben Sie sie.«
    »Wurde
heute morgen eingeliefert«, berichtete Katz. »Ein Frauenzimmer, blond, eine
Augenweide, kann ich Ihnen verraten. Fiel mitten in der Stadt auf dem Gehsteig
vor einer Bar tot um. Herzanfall. Da heute Samstag ist, sagte Doc Murphy, er
würde die Obduktion auf Montag früh verschieben.«
    »Eine
Augenweide, sagten Sie?«
    »Ja,
wirklich hübsch«, bestätigte Charlie mit Bedauern in der Stimme. »Schade, ich
werde sie hier vermissen.«
    »Trug
sie etwas bei sich, woran man sie hätte identifizieren können?«
    »Überhaupt
nichts. Sie hatte noch nicht einmal eine Handtasche dabei. Niemand wußte, woher
sie stammte. Sie fiel einfach vor der Bar um und...«
    »Und
war tot, ich weiß«, nahm ich ihm das Wort aus dem Mund. »In dieser Geschichte
steckt irgendwie eine Moral, Charlie, Wenn sie in der Bar gewesen wäre, hätte
ein kleiner Schluck Bourbon vielleicht das Ganze verhindert.«
    Das
Telefon neben Charlies Ellbogen klingelte, und er schrak heftig zusammen. Es
fuhr fort zu klingeln, während er es anstarrte, wie ich Marilyn Monroe auf der
Breitwand. Fasziniert.
    »Wenn
Sie den Hörer abheben, hört’s auf zu läuten«, sagte ich zu Charlie. »Ein Wunder
der Technik.«
    »Gehen
Sie dran, Leutnant«, flehte er mich an. »Ich bin so nervös.«
    Ich
nahm den Hörer und sagte: »Grafschafts-Leichenhaus.«
    »Ich
habe eine Nachricht für Sie«, sagte eine gepflegte Stimme. »Ich nehme an, Ihnen
geht eine Leiche ab. Ich kann Ihnen sagen, wo Sie sie finden können.«
    »Wo?«
    »Im
Fernsehstudio des Senders KVNW!«
    »Wer
spricht dort?« fragte ich.
    »Ach,
jemand, dem es um Ordnung und Sauberkeit geht«, entgegnete die angenehme
Stimme. »Ich kann ja nicht zulassen, daß Ihnen die leere Schublade

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