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Einmal ist keinmal

Einmal ist keinmal

Titel: Einmal ist keinmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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hagerer geworden, vielleicht etwas kantiger im Gesicht. Er hatte ein paar Fältchen um die Augen, und eine hauchfeine Narbe, die ich noch nicht kannte, zog sich durch seine rechte Augenbraue, wodurch das Lid eine Idee zu weit herunterhing. Die Wirkung war beunruhigend. Bedrohlich.
    Morelli hatte meine Naivität nicht nur ein-, sondern gleich zweimal ausgenutzt. Nach der Szene auf dem Bäckereifußboden hatte er mich nicht angerufen, mir nicht geschrieben; er hatte sich nicht mal von mir verabschiedet. Das Schlimmste war, daß ich gehofft hatte, er würde sich melden. Mary Lou Molnar hatte in bezug auf Joseph Morelli recht gehabt. Er war einfach unwiderstehlich.
    Aber das war alles Schnee von gestern. Ich hatte den Mann in den letzten elf Jahren höchstens drei-, viermal gesehen, und auch dann immer nur aus der Ferne. Morelli war ein Teil meiner Kindheit, und für meine kindlich-kindischen Gefühle ihm gegenüber war in der Gegenwart kein Platz. Ich hatte einen Job zu erledigen. So einfach war das. Ich hatte nicht vor, mich für vergangene Schmach zu rächen. Mir ging es nicht um Rache, mir ging es um meine Miete. Ganz genau. Hatte ich deshalb plötzlich so ein merkwürdiges Gefühl im Magen?
    Laut den Angaben in der Kautionsvereinbarung wohnte Morelli in einem Apartmenthaus nicht weit von der Route I. Es war sicher keine schlechte Idee, dort mit der Suche anzufangen. Zwar konnte ich mir nicht vorstellen, daß ich Morelli zu Hause antreffen würde, aber ich wollte wenigstens seine Nachbarn befragen und nachsehen, ob er seine Post abholte.
    Ich legte die Akte weg und zwängte meine Füße wieder in die schwarzen Pumps. Als ich den Zündschlüssel herumdrehte, tat sich nichts. Ich verpaßte dem Armaturenbrett einen kräftigen Faustschlag und seufzte erleichtert, als der Motor doch noch ansprang.
    Zehn Minuten später fuhr ich auf den Parkplatz, der zu Morellis Apartmentkomplex gehörte. An jedem der niedrigen, nüchternen Gebäude zogen sich zwei Außentreppenhäuser entlang, von denen jeweils acht Wohnungen abgingen, vier im ersten Stock und vier im Erdgeschoß. Ich stellte den Motor ab und ließ die Augen über die Apartmentnummern wandern. Morelli wohnte im Erdgeschoß, nach hinten hinaus.
    Ich blieb noch eine Weile im Wagen sitzen, weil ich nicht so recht weiterwußte. Was, wenn Morelli nun doch zu Hause war? Was sollte ich dann machen? Ihm damit drohen, daß ich ihn bei seiner Mutter verpetzen würde, wenn er nicht friedlich mitkäme? Der Mann wurde wegen Mordes gesucht. Für ihn stand allerhand auf dem Spiel. Ich glaubte zwar nicht, daß er mir etwas antun würde, aber die Gefahr, daß ich mich bis auf die Knochen blamierte, war äußerst groß. Womit nicht gesagt sein soll, daß mich die Angst vor einer Blamage schon jemals vor einer Dummheit bewahrt hätte. Zu nennen wäre hier zum Beispiel meine unglückselige Ehe mit Dickie Orr, dem Schafskopf. Bei dieser Erinnerung verzog ich unwillkürlich das Gesicht. Kaum zu fassen, daß ich einen Mann geheiratet hatte, der Dickie hieß.
    Aber jetzt war nicht die Zeit, weitere Gedanken an Dickie zu verschwenden. Ich hatte einen Plan. Zuerst wollte ich mir Morellis Briefkasten und seine Wohnung ansehen. Wenn ich Glück hatte – oder Pech, je nachdem, wie man es drehte –, und er mir tatsächlich die Tür aufmachte, würde ich ihm kurz etwas vorflunkern und mich schleunigst wieder verziehen. Dann würde ich die Polizei anrufen und ihn festnehmen lassen.
    Als erstes nahm ich mir die Briefkästen vor, die in die Ziegelwand eingelassen waren. In allen steckte Post. Morellis Kasten war voller als die meisten anderen. Ich ging durch das Treppenhaus und klopfte an seine Tür. Keine Antwort. Große Überraschung. Ich klopfe noch einmal und wartete. Nichts. Ich ging um das Gebäude herum und zählte die Fenster. Vier gehörten zu Morellis Wohnung, vier zu der dahinterliegenden. Morellis Rollos waren heruntergelassen, aber ich pirschte mich trotzdem vorsichtig an und versuchte, durch den Spalt zwischen Rollo und Wand hineinzuspähen. Wenn die Rollos plötzlich nach oben geschnellt wären und jemand herausgeschaut hätte, hätte ich mir garantiert in die Hose gemacht. Zum Glück blieben sie unten, aber leider konnte ich auch nicht hineinsehen. Ich kehrte um und probierte es bei den drei anderen Wohnungen auf der Etage. Bei den ersten beiden machte niemand auf. In der dritten öffnete mir eine ältere Frau, die schon seit sechs Jahren dort wohnte und Morelli noch nie gesehen hatte.

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