Eins zu Null für Schreckenstein
stand eine Kerze.
„Wenn sie da nicht sind...“, überlegte Walter.
Von hinten fiel ihm eine Stimme ins Wort. „Ach, ihr seid das! Wo sind denn die andern?“
Die Ritter drehten sich um. Eine Gestalt mit schwarzem Gesicht und schwarzen Händen, daß man zweimal hinschauen mußte, um sie zu erkennen, kam zur Tür herein, drängte sich zur Bücherwand durch und leuchtete mit einer Taschenlampe in den Geheimgang: Ottokar.
„Wirklich eine fulminante Trickkiste!“ sagte er kopfschüttelnd. „Beni hat seine Taschenlampe fallenlassen und ist davongeschwebt, wie ‘n Koffer auf dem Transportband, Dampfwalze war wieder gestolpert, und ich höre plötzlich Doktor Waldmann um Hilfe rufen, hebe die Lampe auf, gehe der Stimme nach, komme an eine Eisentür, mach sie auf, trete ins Leere. Ich falle durch einen Schacht und wo finde ich mich wieder? Seitlich im offenen Kamin im Eßsaal!“
Die staunenden Ritter konnten seinem Bericht gar nicht so schnell folgen, da gab er schon Anweisungen. Alle sollten sofort ihre Taschenlampen und Sprungseile, die zur Schreckensteiner Streichausrüstung gehören, holen. Für die nächste Geisterpolonaise, wie er sagte. Unterwegs könnten sie sich schon aneinanderbinden, vom Handgelenk des einen zum Handgelenk des nächsten, mit einem Meter Seil dazwischen, um die Kette länger zu machen. Er selbst wuchtete in der Zwischenzeit einen Stein mit Löwenrelief – Sockel einer nicht mehr vorhandenen Statue – als Sperre unter den Stock der Regaltür.
Minutenschnell kehrten die Ritter aus dem Stall zurück. Der Stein lag vor der Bücherwand, die Regaltür war geschlossen und kein Ottokar mehr zu sehen.
Walter und Oskar sprangen vor. Mit vereinten Kräften zogen sie an dem Regal, das sich aber nicht mehr öffnen ließ.
„In den Eßsaal!“ Mini — Ritter Eberhard stürzte hinaus, die drei andern Minis, schon angeseilt, hinter sich herziehend. Die Ritter folgten.
„Zehn Mann dableiben!“ rief Walter. „Falls sich hier was tut.“ Drüben im Eßsaal starrten die Minis in den mannshohen Rauchabzug des einen Kamins, Oskar, Fritz und Emil in den des andern.
Fritz, der Seltenfröhlich, und Martin hatten schon weiter gedacht. Sie schleppten zwei Leitern herein.
„Da ist keine Tür!“ meldete Mini Kuno aus dem einen Kamin.
„Die geht nicht auf!“ Emil aus dem andern.
Doktor Schüler, Rolle und Gießkanne standen mit besorgten Gesichtern im Hintergrund, wo sie gerade die Schulköchin, auch Lady Pamps genannt, ausquetschten. Doch die hatte keine Ahnung.
„Jetzt ist sie wieder auf!“ Walter stand an der Tür. Alle rannten zurück in die Bibliothek. Der bewegliche Regalteil stand in einem Winkel von dreißig Grad eingeschwenkt.
„Also los, zur Geisterpolonaise! Wie Ottokar gesagt hat.“ Emil, mit Fritz durch Seil verbunden, verschwand in den Geheimgang, die andern banden sich aneinander und folgten.
„Ich komme mit!“ Doktor Schüler zwängte sich unangeseilt durch den Spalt. Für die Schreckensteiner Gemeinschaft zwischen Rittern und Lehrern nichts Besonderes.
Drinnen stand Emil vor der Eisenleiter. Rauf oder runter –, das war hier die Frage. Da sie glaubten, auf dem oberen Weg wieder im Kamin des Eßsaals zu landen, Ottokar dort aber nicht mehr erschienen war, entschieden sie sich für den Abstieg. Es ging zügig voran. Felix, der elfte in der Kette, schickte sich gerade an, in den Geheimgang zu treten, da schnappte die launische Bücherwand vor ihm zu. Das Seil, das ihn mit seinem Vordermann Udo verband, hing wie ein zu dickes Buchzeichen zwischen den Werken von Sir Walter Scott und Robert Louis Stevenson aus dem Regal.
„Mann!“ Der kleine Herbert kratzte sich am Kopf. „Unser Paule kommt nur raus, wenn man auf die Leiste tritt, aber dieser Hector macht auf und zu wie’s ihm paßt.“
Hilferufe wurden laut. Woher kamen sie? War es die Stimme von Doktor Waldmann, von Beni, Ottokar, Emil oder Doktor Schüler? Die Ritter in der Bibliothek drehten die Köpfe, da brachen die Rufe ab.
„Ein paar Mann rüber zum Kamin!“ rief der kleine Eberhard.
„Ich rufe die Polizei!“ Rolle wollte schon zum Telefon, aber Mini Kuno stellte sich ihm in den Weg.
„Wir kapitulieren doch nicht vor schottischen Geistern! Noch dazu am hellichten Tag.“
Jetzt überschlugen sich die Ereignisse. Plötzlich stand ein völlig verdreckter Mücke da. „Diese Mäuseburg ist eine Geisterbahn! Vor allem im Südturm. Ich höre Waldmann um Hilfe rufen, tappe im Dunkeln der Stimme nach,
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