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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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seither in der Blüte seines denkerischen Schaffens dahingerafften Gelehrten, einen Mann, der äußerlich so gar nicht als eine Leuchte erschien, mit seinem gepflegten Bartantlitz eher an den Typus eines routinierten Advokaten erinnerte. Mit lässigen weltmännischen Gebärden spazierte er auf dem Podium auf und ab, nichts Doktrinäres haftete an ihm, in leichtem Fluß und trotz der Sprachverschiedenheit unmittelbar erschließbarer Verständlichkeit entwickelte er sein Thema.
    In diesem Vortrag geschah es zum erstenmal, daß wir den Namen Albert Einstein hörten.
    Poincaré sprach über: »Die neue Mechanik«, um uns mit dem Beginn einer Strömung bekanntzumachen, die ihn selbst, wie er bekannte, in seinen vormaligen Grundansichten stark aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Wiederholt hob er seine sonst ebenmäßig dahingleitende Stimme zu kräftigeren Akzenten, und mit nachdrücklicher Geste wies er darauf hin, daß wir hier möglicherweise am kritischen, am epochalen Punkte einer geistigen Weltenwende stünden.
    » Möglicherweise « – wie er immer wieder betonte. Mit Beharrlichkeit unterstrich er seine Zweifel, unterschied er zwischen erhärteten Tatsachen und Hypothesen, ja, er klammerte sich noch an die Hoffnung, daß die neue, von ihm erläuterte Lehre vielleicht einen Ausweg zur Rückkehr offen lassen könnte. Diese Revolution, so sagte er, scheint zu bedrohen, was in der Wissenschaft bis vor kurzem als das Sicherste galt: die Grundlehren der klassischen Mechanik, die wir dem Geiste Newtons verdanken. Vor der Hand ist diese Revolution freilich nur erst ein drohendes Gespenst, denn es ist sehr wohl möglich, daß über kurz oder lang jene altbewährten Newtonschen dynamischen Prinzipien als Sieger hervorgehen werden. Und im weiteren Verlauf erklärte er wiederholt, daß er vor Ängsten kopfscheu würde angesichts der sich auftürmenden Hypothesen, deren Einordnung in ein System ihm schwierig bis zur Grenze der Unmöglichkeit erschien.
    Es ist nun zwar in der Sache höchst gleichgültig, wie die Enthüllungen Poincarés auf einen Einzelnen wirkten. Wenn ich aber von mir auf andere schließen darf, so bleibt mir nur der Ausdruck: erschütternd! Über alle Zweifel des Vortragenden hinweg bestürmte mich der Eindruck eines gewaltigen Erlebnisses, und dieser entzündete in mir zwei Wünsche: mich mit den Forschungen Einsteins, soweit mir dies gelingen könnte, näher bekanntzumachen und womöglich: ihn einmal leibhaftig zu erblicken. Das Abstrakte verschmolz für mich mit dem konkret Persönlichen. Mir schwebte es wie eine Ahnung vor und wie ein Glück, in irgendwelcher Zukunft seine Lehre aus seinem Munde zu vernehmen.
    Einige Jahre später wurde Einstein als Professor der Akademie mit Lehrbefugnis an der Universität nach Berlin berufen, und damit durfte mein Privatwunsch feste Formen annehmen. Auf gut Glück versuchte ich es, ihn zu realisieren. In Verbindung mit einem Kollegen bat ich ihn brieflich, einem der zwanglosen Abende unserer »Literarischen Gesellschaft« im Hotel Bristol seine Anwesenheit zu spenden, und hier wurde er wirklich zu stundenlanger Unterhaltung mein Tischnachbar. Heut weiß jeder aus zahllosen Zeitungsbildern, wie er aussieht. Mir trat er damals entgegen mit unbekannter Physiognomie, und ich versenkte mich in seine Züge, die mich als die eines liebenswürdigen, künstlerisch angehauchten, keineswegs professoral-zünftigen Weltkindes anmuteten. Er gab sich lebhaft, gesprächig, streifte willig auf unser Begehren sein eigenes Gebiet, soweit es Ort und Gelegenheit zuließen, eine Verkörperung des Horazischen Spruches »Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci, tironem delectando pariterque monendo«. Es war tatsächlich delektierend. Und doch mußte ich auf Momente an eine männliche Sphinx denken, an das Rätselvolle hinter dieser ausdrucksreichen Stirn. Noch heute, nach jahrelanger Berührung in freundlichem Verkehr, komme ich davon nicht los. Oft überkommt es mich im Fluß der gemütlichen,von Scherzworten belebten Unterhaltung bei Tee und Zigarre: plötzlich spüre ich es wie das Walten eines denkerischen Geheimnisses, an das man sich nur herantasten darf, ohne es zu ergründen.
    Damals, im Beginn von 1916, wußten wohl nur wenige Mitglieder der Literarischen Gesellschaft, wen sie an ihrer Tafel beherbergten. Einsteins Stern war, von Berlin aus gesehen, eben im Aufsteigen, aber dem Horizont noch zu nahe, um allgemein sichtbar zu werden. Mein Blick, durch den französischen

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