Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
Vom Netzwerk:
ihre Jungen brachte, damit wir sie uns anschauten.
    »Easy, es gibt hier nicht genug Arbeit für uns drei. Warum suchst du dir nicht etwas anderes?«
    »Aber ich komme gern hier ’rauf, Lobey.«
    »Friza und ich werden leicht mit der Herde fertig.«
    »Aber es macht mir gar nichts aus …«
    »Verzieh dich, Easy!«
    Er sagte noch etwas, und ich hob mit dem Fuß einen Stein auf und schwang ihn abschätzend hin und her. Easy blickte verwirrt drein, dann stolperte er davon. Stellt euch vor, so mit Easy umzuspringen.
    Friza und ich hatten die Weide und die Herde ganz für uns allein. Das Weideland blieb gut und war schön und voller unbekannter Blumen jenseits der Hügel, wenn wir auf ihnen herumtobten. Und wenn es giftige Schlangen gab, dann glitten sie in scharlachroten Bändern davon und ringelten sich nie zusammen. Ah! – und was für eine Musik ich machte!
    Etwas hat sie getötet.
    Sie hatte sich in einer Gruppe von Faulweiden versteckt, Bäume, deren Zweige tiefer herabhängen als bei den Trauerweiden, und ich suchte und rief nach ihr, grinsend – dann schrie sie. Das war der einzige Laut außer dem Lachen, den ich je von ihr gehört habe. Die Ziegen begannen zu meckern.
    Ich fand sie unter einem Baum, das Gesicht im Staub.
    Als die Geißen meckerten, zersprang die Weide unter ihrem krächzenden Lärm in Stücke. Ich schwieg, verwirrt, erstaunt über meine Verzweiflung.
    Ich trug sie zum Dorf zurück. Ich sehe heute noch La Dires Gesicht, als ich den schlaffen Körper in meinen Armen auf den Platz trug.
    »Lobey, was in der Welt … Wie hat sie … O nein, Lobey! Nein!«
    Und so übernahmen Easy und Little Jon die Herde wieder. Ich ging an den Eingang zur Quellenhöhle, setzte mich nieder, schliff meine Klinge, kaute an meinen Nägeln, schlief und dachte, ganz allein auf dem flachen Felsen. Und dort haben wir ja begonnen.
    Einmal kam Easy, um mit mir zu sprechen.
    »Hallo, Lobey, willst du uns nicht mit den Geißen helfen? Die Löwen sind wieder da. Nicht viele, aber du könntest uns doch helfen.« Er hockte sich nieder, schüttelte den Kopf. Er war immer noch einen Kopf größer als ich. »Armer Lobey.« Er strich mir mit seinen haarigen Fingern über den Kopf. »Wir brauchen dich. Du brauchst uns. Hilfst du uns, die zwei verlorenen Zicklein suchen?«
    »Geh fort.«
    »Armer Lobey.« Aber er ließ mich allein.
    Später kam auch Little Jon. Er stand eine Weile verlegen da und überlegte, was er sagen solle. Aber als er soweit war, mußte er hinter einen Busch gehen, schämte sich und kam nicht wieder.
    Lo Hawk kam auch. »Komm mit auf die Jagd, Lo Lobey. Sie haben einen Stier gesehen zwei Meilen südlich. Hörner so lang wie dein Arm, heißt es.«
    »Ich fühle mich heute ziemlich non-funktional«, antwortete ich. Und darüber macht man besser keine Witze mit Lo Hawk. Er zog sich unter Geräusper zurück. Aber ich konnte einfach sein altmodisches Getue nicht ertragen.
    Als La Dire kam, war es allerdings anders. Wie ich schon sagte, ist sie sehr weise und gescheit. Sie kam und setzte sich mit einem Buch auf der andern Seite des flachen Felsblocks nieder und beachtete mich eine Stunde lang überhaupt nicht. Bis ich wütend wurde. »Was hast du hier zu schaffen?« fragte ich schließlich.
    »Vielleicht das gleiche wie du.«
    »Und was ist das?«
    Sie schaute mich ernst an. »Warum sagst du es mir nicht?«
    Ich nahm wieder mein Messer auf. »Schleife meine Machete.«
    »Ich schleife meinen Verstand«, sagte sie. »Etwas wird getan werden müssen, bei dem beides scharf sein muß.«
    »Hm?«
    »Soll das eine unartikulierte Frage nach dem Was sein?«
    »Hm?« machte ich wieder. »Na und was? «
    »Wir müssen das töten, was Friza getötet hat.« Sie schloß das Buch. »Wirst du mir dabei helfen?«
    Ich beugte mich vor, Hände und Füße verknoteten sich, ich machte den Mund auf – und dann verschwamm La Dire hinter Tränen. Ich weinte. Es überraschte mich nach all der Zeit. Ich warf meinen Kopf auf den Felsen und brüllte.
    »Lo Lobey«, sagte sie, wie Lo Hawk es getan hatte, nur war es ganz anders. Dann streichelte sie mir über das Haar wie Easy. Nur anders. Als ich mich wieder in der Hand hatte, spürte ich ihr Mitgefühl und auch ihre Verlegenheit. Wie bei Little Jon; nur anders.
    Ich lag auf der Seite, die Beine mit den Händen umschlungen, und schluchzte in mich hinein. La Dire rieb mir die Schulter, meine runde hervorstehende Hüfte, sie öffnete mich mit Freundlichkeit und Worten:
    »Reden wir über

Weitere Kostenlose Bücher