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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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mein Atem, die Blätter und der Bach waren, nickte sie und lächelte. »Jetzt hast du richtig getrauert.« Ich blickte nach unten. Meine Brust glänzte, mein Bauch faltete sich, wurde glatt, faltete sich wieder. Staub auf meinen Füßen war zu braunem Schlamm geworden.
    »Nun bist du fast bereit für das, was getan werden muß. Geh jetzt, jage, hüte die Geißen, mach mehr Musik. Bald wird Le Dorik kommen und dich abholen.«
    Alle Geräusche in mir brachen ab. Atem und auch das Herz, glaube ich, eine Synkopierung, ehe der Rhythmus neu begann. »Le Dorik?«
    »Geh. Genieße die Zeit, ehe du auf die Reise gehst.«
    Voller Furcht schüttelte ich den Kopf, drehte mich um und floh vom Eingang der Höhle.

 
3.
     
    Plötzlich floh die kleine unstete Bestie und hinterließ in meinem Schoß – o Scheußlichkeit – ein Ungeheuer, eine mißgestaltete Made mit einem Menschenkopf. »Wo ist deine Seele, daß ich auf ihr reite!«
    Aloys Bertrand / Der Zwerg
     
    Werdet LEBENDIG / Ihr seid die Pepsi-Generation!
    Geläufiger Slogan / (Werbung)
     
    Le Dorik!
    Eine Stunde danach hockte ich versteckt neben dem Käfig. Aber der Käfigwärter, Le Dorik, war nirgends zu sehen. Etwas Weißes war an den elektrischen Zaun gekrochen und sabberte. Wahrscheinlich würde es bald sterben. Ich hörte Griga lachen, ohne ihn zu sehen; er war Lo Griga gewesen, bis er sechzehn war. Aber irgendwas – niemand wußte, ob es genetisch war oder nicht – hatte den Verstand in seinem Kopf verrotten lassen, und Gelächter sprudelte aus seinem Gaumen und von seinen Lippen. Er verlor sein Lo und wurde in den Käfig gesteckt. Le Dorik war jetzt vielleicht gerade drin und gab das Futter aus, verarztete, wo Medizin etwas Linderung bringen würde, tötete, wenn jemand jenseits ärztlicher Hilfe war. So viel Traurigkeit und Schrecken war hier oben eingeschlossen; es war schwer, nicht zu vergessen, daß es Menschen waren. Sie hatten keinen Reinheitstitel, aber sie waren Menschen. Sogar Lo Hawk nahm einen Witz über die im Käfig so übel wie einen über einen titeltragenden Bürger. »Du weißt ja nicht, was man mit denen gemacht hat, als ich ein Junge war, junger Lo-Mann. Du hast niemals mitansehen müssen, wie sie aus dem Dschungel zurückgezerrt wurden, wenn es ein paar von ihnen gelungen war zu überleben. Du hast nicht gesehen, wie barbarisch komplette Normale vorgingen, ihre Vernunft in blutigen Fetzen vor Angst. Viele Menschen, die wir heute Lo und La nennen, hätte man nicht am Leben gelassen, wen sie vor fünfzig Jahren geboren worden wären. Sei glücklich, daß du Kind einer zivilisierteren Zeit bist.« Ja, sie waren Menschen. Aber ich frage mich nicht zum erstenmal, was man dabei empfindet, wenn man solche Menschen pflegt. – Le Dorik?
    Ich ging ins Dorf zurück.
    Lo Hawk schaute auf von seinem Sportbogen, den er neu spannte. Er hatte die Energiepatronen vor der Tür aufeinandergestapelt, um die Zündungen zu überprüfen. »Wie geht’s, Lo Lobey?«
    Ich nahm eine Patrone mit dem Fuß auf, drehte sie um. »Den Stier schon erwischt?«
    »Nein.«
    Ich drückte die Klammer mit der Spitze meiner Machete zurück. Die Patrone war gut. »Also, gehen wir«, sagte ich.
    »Schau erst die übrigen noch an.«
    Während ich es tat, spannte er seinen Bogen fertig, ging ’rein und holte einen Bogen für mich; dann gingen wir zum Fluß hinunter.
    Schlick färbte das Wasser gelb. Die Strömung war hoch und rasch, sie bog Farne und lange Gräser nieder, kämmte sie vom Ufer weg wie Haare. Wir hielten uns etwa zwei Meilen lang an das Sumpfufer.
    »Was hat Friza getötet?« fragte ich schließlich.
    Lo Hawk kauerte sich nieder, um einen zerfetzten Baumstamm zu untersuchen: Hauerspuren. »Du warst da. Du hast es gesehen. La Dire hat nur Vermutungen.«
    Wir wandten uns vom Fluß ab. Gestrüpp zerkratzte Lo Hawks Hosenbeine. Ich brauche keine. Meine Haut ist hart und fest. Easy und Little Jon brauchen auch keine.
    »Ich habe überhaupt nichts gesehen«, sagte ich. »Was vermutet sie?« Ein Albinofalke brach aus einem Baum und wirbelte davon. Friza hatte auch keinen Beinschutz gebraucht.
    »Etwas Non-Funktionales hat Friza getötet, etwas an ihr, das non-funktional war.«
    »Friza war funktional«, sagte ich. »Ganz bestimmt!«
    »Sprich leise, Junge!«
    »Sie hat die Herde zusammengehalten«, sagte ich leiser. »Sie konnte machen, daß die Tiere taten, was sie wollte. Sie konnte die gefährlichen Dinge vertreiben und die schönen näher bringen.«
    »Quatsch«, sagte

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