Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
anderen Elektronen überlagern, wodurch das Interferenzmuster entsteht. Auch für Materieteilchen gilt also der Welle-TeilchenDualismus. Sobald wir das Teilchen beobachten oder mit einem Detektor zu bestimmen versuchen, durch welche Spalte es geflogen ist, verschwindet der Spuk der Quantenwelt. Das Teilchen verhält sich nunmehr so, wie wir es aus dem Alltag kennen. Als Teilchen nämlich. Es beschreitet eine einzige bestimmte Bahn, fliegt nur durch eine der beiden Spalten und hinterlässt auf der Fotoplatte einen einzigen klar definierten Einschlagspunkt.
Wie ist das zu verstehen? Hat das Experiment oder das Teilchen ein Eigenleben entwickelt und abhängig davon, ob ein bewusster Beobachter zuschaut oder nicht, verhält es sich anders?
Wie das Experiment genau zu verstehen ist, darüber streiten sich die Forscher auf der ganzen Welt. So lange das Teilchen nicht gemessen wird, befindet es sich in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand. Seine Wahrscheinlichkeitswelle gibt dabei an, wo es sich befindet. Demzufolge ist es an mehreren Orten gleichzeitig. Erst wenn wir in das Quantensystem eingreifen und den Aufenthaltsort des Teilchens messen wollen, kollabiert die Wahrscheinlichkeitswelle und das Teilchen entscheidet sich sofort für eine eindeutige Position.
Der Detektor kann dabei keinen Einfluss auf das Teilchen haben. Zumindest keinen Einfluss, der nicht das Kausalitätsprinzip verletzen und Kenntnisse über zukünftige Ereignisse voraussetzen würde. Es ist allerdings nicht so, dass der Detektor auf irgendeine unerfindliche physikalische Art und Weise den Weg des Teilchens beeinflussen oder die anderen Wege explizit zerstören würde. Denn, und jetzt wird es noch unheimlicher, der Detektor befindet sich hinter den Spalten (!). Das Teilchen wird erst nach der Durchquerung der Spalten beobachtet. Trotzdem scheint das Teilchen bereits vor der Spalte zu wissen, dass wir seinen Weg messen wollen. Denn sobald wir den Detektor aktivieren, folgt es wiederum der klassischen Annahme und fliegt nur durch die eine oder die andere Spalte – und zwar auf einem einzigen Weg, wie man es von einem anständigen Teilchen (das man sich als Kugel vorstellen kann) auch erwarten würde. Schalten wir den Detektor aber aus, folgt das Teilchen wieder dem Spuk der Quantenwelt und beschreitet unzählige Wege gleichzeitig. Das Teilchen ist eigentlich ganz schön frech. Es entzieht sich dem direkten Nachweis, dass es gleichzeitig durch beide Spalten fliegt und mysteriösen quantenmechanischen Gesetzen gehorcht. Nur indirekt, durch das Interferenzmuster auf der Fotoplatte, kann auf sein merkwürdiges Verhalten geschlossen werden.
Der Detektor misst das Teilchen in jedem Fall erst, wenn es durch die Spalte geflogen ist. Das Teilchen muss folglich schon gewusst haben, dass wir es messen wollen, bevor es durch die Spalten in den Detektor geflogen ist. Ansonsten würde der Detektor das Teilchen gleichzeitig bei beiden Spalten registrieren. Das Teilchen verfügt folglich über eine Art quantenmechanische Zukunftsvision. Es weiss schon, dass es sich wie ein klassisches Teilchen verhalten soll, weil es gemessen werden wird, bevor die Messung überhaupt stattgefunden hat. Die Wirkung – das Verhalten als klassisches Teilchen
– setzt das Teilchen um, bevor es überhaupt zur Ursache – der Messung – gekommen ist. Ein sehr seltsames Phänomen.
Haben Teilchen eine Art Bewusstsein? Oder woher diese seltsame Abhängigkeit von zukünftigen Ereignissen auf den Ausgang des Experiments? Worin besteht die Erklärung für dieses schleierhafte Verhalten?
Das Doppelspaltexperiment war gewissermassen das MichelsonMorley-Experiment der Quantenphysik und auferlegt bis heute zahlreiche Rätsel.
3.3 Einstein, Schrödinger und die halbtote Katze
Der Quantenphysik mangelt es weniger an mathematischer Basis als vielmehr an der schlüssigen Interpretation. Mathematische Formulierungen und Ergebnisse sind bekannt. Aber niemand weiss, weshalb es so ist, wie es ist. Alle Physiker kennen die Architektur dieses spukhaften Gebäudes, aber niemand versteht sie.
Die Situation ist gut vergleichbar mit dem Dilemma Newtons. Er entwickelte zwar eine Gleichung, mit der sich die Wirkung der Gravitation im Alltag ziemlich genau beschreiben liess. Er musste jedoch eingestehen, dass er nicht wusste, was sich hinter der Gravitation als Grundkraft verbirgt. Die Ursache der Wirkung war ihm vollkommen fremd. Erst Albert Einstein entschleierte die Gravitation in der
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