Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
So lange Sie auf den Spieltisch schauen und die dort liegenden Karten sehen, können Sie aufgrund Ihrer Karten in den Händen und der aufliegenden Karten eine Entscheidung fällen. Sobald Sie Ihren Blick von den offenen Karten abwenden, vergessen Sie diese und Ihre Entscheidung hängt einzig und alleine von den Karten ab, die Sie in den Händen tragen. Jetzt könnten Sie natürlich clever sein und Ihrem Glück etwas auf die Sprünge helfen, indem Sie – ganz unauffällig - einen Blick auf die Karten des Nachbars werfen. Da Sie auch hier ziemlich vergesslich sind, können seine Karten nur einen Einfluss auf Ihre Spielentscheidung haben, so lange Sie hinsehen. Sie haben also entweder die Möglichkeit, die offen liegenden Karten zu betrachten und in ihre Entscheidung miteinzubeziehen oder die Karten des Gegenspielers (nehmen wir einmal an, Sie spielen nur zu zweit). Sie kennen somit immer nur Ihre eigenen Karten und die offen liegenden Karten oder die des Gegenspielers. Das entspricht der Unschärferelation der Quantenmechanik: Je genauer Sie die offen liegenden Karten anschauen, je weniger wissen Sie über die Karten des Gegenspielers und umgekehrt. Sie können die Karten, die Sie nicht anschauen, jeweils nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit bestimmen. Wenn Sie beispielsweise zwei Asse in den Händen halten und zwei Asse auf dem Tisch liegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Mitspieler auch noch ein Ass hält, gleich null. Insofern er keine langen Ärmel trägt. Wenn Ihr Chef Ihnen einen Vortrag hält und Sie gleichzeitig einen wunderschönen Song durch das Headset trällern hören, können Sie die Grösse „Vortrag des Chefs verstehen“ beeinflussen, in dem Sie die Lautstärke regulieren. Je lauter die Musik, je geringer die Wahrnehmung des Chefs und je höher die Aufmerksamkeit den musikalischen Freuden. Schalten Sie die Musik ganz aus, geniesst der Chef Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, wodurch Sie aber nicht wissen, welches Lied das Radio gerade spielt. Schalten Sie die Musik laut genug, hören Sie jedes Basszupfen ganz genau, verstehen aber vom Vortrag Ihres Chefs kein Wort. Die zwei Grössen „Chef verstehen“ und „Musik hören“ sind insofern komplementär. Je mehr Aufmerksamkeit Sie dem einen widmen, je weniger Aufmerksamkeit geniesst das andere. Das ist das so genannte Unschärfeprinzip der Quantenmechanik. Je genauer man den Impuls eines Teilchens bestimmt, je ungenauer werden die Aussagen, die man über seinen Aufenthaltsort machen kann. Die Unschärferelation ist prinzipieller Natur und nicht auf mangelnde Präzision der Messgeräte zurückzuführen. Fragen Sie sich auch gerade, ob Sie der Polizei ein Verfahren anhängen wollen, weil die Radargeräte Ihre Geschwindigkeit prinzipiell nicht präzis messen können?
Tatsächlich hätte es ein Gesetzeshüter in der Teilchenwelt nicht einfach. Nehmen wir einmal an, Rolf, ein Elektron im besten Alter, von Beruf Freund und Helfer, will eine Radarfalle aufstellen um sicherzustellen, dass seine Artgenossen nicht zu schnell durch den Atomorbit fliegen. Rolf hat die Qual der Wahl. Er kann seine Radarfalle sehr hochwertig fertigen lassen und erreicht dadurch eine präzise Bestimmung der Geschwindigkeit, mit der ein Elektron an ihm vorbei fliegt. Der Nachteil: Misst Rolf die Geschwindigkeit des vorbei fliegenden Elektrons Jenny mit einer Präzision von 99.999 Prozent, so wird Jennys Aufenthaltsort extrem unscharf. Rolf weiss zwar ziemlich genau, wie schnell Jenny unterwegs ist, hat aber keine Möglichkeit, ihre „Elektronennummer“ zu fotografieren. Warum? Die Unschärferelation bedingt, dass durch die präzise Messung der Eigenschaft Impuls (oder in diesem Beispiel die Geschwindigkeit) die Kenntnis über den Aufenthaltsort sehr unscharf wird. Rolf weiss also, wie schnell Jenny fliegt, hat aber keine Ahnung, wo sich Jenny bei der Geschwindigkeitsmessung befindet. Da Jenny dem Quantenspuk gehorcht, fliegt sie nämlich nicht unbedingt geradeaus weiter, wie Sie es mit Ihrem Auto wahrscheinlich meistens fahrend (und mehr oder minder wild gestikulierend) tun werden, wenn Sie einen Blechkameraden um Aufmerksamkeit bemüht haben.
Eine Ursache für dieses Unschärfephänomen besteht darin, dass prinzipiell keine Messung möglich ist, ohne das quantenmechanische System zu beeinflussen. Um den Impuls eines Teilchens zu messen, kann man es durch ein Feld oder eine Lichtschranke fliegen lassen. Dadurch wird das Teilchen aber zwangsläufig beeinflusst und von
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