Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
Sobald Sie die Türe öffnen, ist das Licht sofort aus und Ihr Kind bemüht den Schlaf. Als gewissenhafter Elternteil werden Sie das natürlich ahnen, da Sie Ihre Kinder kennen, und die heimliche Lektüre mit einem „Schlaf gut“ durchgehen lassen. Schliesslich ist Lesen nicht unbedingt ein grobes Verdikt und manche Eltern pubertierender Kinder würden sich wünschen, es dabei belassen zu können. Die Räume der Quantenphysik, oder besser gesagt die mysteriösen Phänomene, die sich dort drin abspielen, treten aber erst gar nicht auf, wenn man sie beobachten wird. Die Phänomene stoppen also nicht, sobald man hinschaut, sondern bereits, wenn man hinschauen wird. Niemand kann heute sagen, woher die Räume wissen, dass man hineinschaut, bevor man es tatsächlich tut. Und nach dem Grund, weshalb sich gerade ein Sofa in die Küche zwängt und der Fernseher spurlos verschwindet, fragen wir nicht. Noch nicht. Fakt ist, und dessen sollten Sie sich bereits jetzt bewusst sein: Dieses quantenphysikalische Spukschloss ist kein Märchen. Es ist die nackte Realität. Es beherbergt all die unerklärlichen Phänomene, die die Welt des Kleinen beherrschen. Begeben wir uns auf die Spur dieser Phänomene und stellen wir uns die Frage, wie sich diese Phänomene der Alltagswahrnehmung entziehen.
Mit der Lichtquantenhypothese erklärte Einstein den photoelektrischen Effekt. Seither ist bekannt, dass Licht einem so genannten Wellen-Teilchen-Dualismus unterworfen ist. Licht kann sich als Teilchen verhalten oder als Welle. Je nach Situation liefert die eine oder die andere Anschauung das mit den experimentellen Ergebnissen übereinstimmende und damit korrekte Resultat. Im Jahr 1924 wagte sich der französische Physiker de Broglie einen entscheidenden Schritt weiter. Er postulierte, dass sich auch materielle Teilchen in bestimmten Fällen als Welle verhalten könnten. Ein Elektron tritt demnach nicht immer nur als punktförmiges Teilchen in Erscheinung, sondern abhängig von bestimmten, noch zu erläuternden Umständen auch wellenförmig. Eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung, dass sich ein winziges Kügelchen plötzlich wie eine Welle verhalten soll. Oder besser gesagt: Dass jede Materie auch Wellencharakter hat. Oder haben Sie Ihr Auto schon einmal dabei beobachtet, wie es in der Garage fröhlich hin und her schwingt und dabei die halbe Karosserie verkratzt? Trägt die Gattin möglicherweise gar keine Schuld an den auffälligen Kratzern an der Stossstange? Haben Sie Ihr womöglich Unrecht getan? Gehört der Schuldspruch dem Quantenspuk?
Das Problem besteht in der Frage, wann die Teilchen als Teilchen oder Wellen betrachtet werden müssen. Tatsächlich tritt immer nur eines der beiden Phänomene gleichzeitig auf. Zumindest, sobald jemand hinsieht. Was sich vorerst nüchtern anhört, wurde spätestens im Jahr 1961 mit dem Doppelspaltexperiment des deutschen Physikers Claus Jönsson zu einem Pearl Harbor der Weltanschauung. Einem eher unerwarteten Sturmangriff auf den Hafen der Physik. Dabei hat auch die philosophische Flanke mehr oder weniger Schiffbruch erlitten. Mit dem Anbruch des 20. Jahrhunderts war bereits ein gewaltiger Kugelhagel über dem Weltbild niedergegangen. Und das, obwohl man dachte, in der Physik sei so gut wie alles erforscht. Der Münchner Professor Philipp von Jolly hatte Max Planck anno 1874 deswegen sogar von einem Physikstudium abgeraten: „In dieser Wissenschaft ist schon fast alles erforscht, und es gilt, nur noch einige unbedeutende Lücken zu schliessen.“ Ein sinnbildliches Zitat für die voreingenommenen Ansichten, die man damals teilte, um in den nächsten Jahrzehnten von einem Umbruch zum nächsten zu eilen. Gemessen an den offenen Fragen, die man sich damals und heutzutage stellt, wissen wir heute noch kaum etwas. Es fehlt in allen Belangen, um in der modernen Physik nur noch einige unbedeutende Lücken schliessen zu müssen. Mathematik. Philosophie. Physik. Denn die Umstürzung des klassischen Weltbilds hin zu einer relativistischen Anschauung sollte erst ein Dornenstich sein im Vergleich zum Sperrfeuer, das aus den Kanonen der Quantenphysik donnerte. Das Doppelspaltexperiment von Jönsson durchlöcherte auf experimenteller Basis alles, was bisher als kugelsicher gegolten hatte. Denn spätestens jetzt wurde die Quantenphysik so richtig unheimlich. Im Jahr 1961 gelang es Jönsson, die Materiewellenhypothese von de Broglie in einem sehr komplizierten Experiment zu überprüfen. Kompliziert deshalb, weil
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