Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
Atomkerns. Tatsächlich existiert die Wellenfunktion aber auch weit entfernt, beispielsweise auf Alpha Centauri. Dort ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons zwar sehr klein, aber dennoch ungleich null. Sobald das Teilchen gemessen wird, kollabiert die Wellenfunktion und sie entscheidet, wo das Teilchen auftauchen soll. Die Preisfrage lautet, ob dieser Kollaps der Wellenfunktion sofort und ohne Zeitverzögerung eintritt oder ob er sich nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet und Alpha Centauri somit erst nach vier Jahren erreicht.
Wie uns gewisse Fernsehsendungen lehren, ist es eine lohnenswerte Idee, den einen oder anderen Joker einzusetzen, wenn man die Millionenfrage nicht beantworten kann. Der Publikumsjoker bringt uns aufgrund der chronischen Absenz von Publikum beim Lesen dieser Zeilen nicht wirklich weiter. Der Fifty-Fifty-Joker würde das Sammelsurium an Antworten zwar halbieren, wobei wir leider noch nichts haben, das man halbieren könnte. Aber wir könnten natürlich jemanden anrufen, und das ist der Joker, den wir spielen, um eine Antwort auf unsere Frage zu erhalten. Wir rufen Herr und Frau Quantenphysik an. Die Quantenphysik hilft uns natürlich gerne weiter und antwortet, dass der Kollaps sofort erfolgt und damit schneller als das Licht übertragen wird. Genau genommen sogar mit unendlich hoher Geschwindigkeit, da überhaupt keine Zeit vergeht, bis der Kollaps des Teilchens Alpha auf der Erde bis zu Teilchen Beta auf Alpha Centauri übertragen worden ist. Diese Antwort ist natürlich korrekt. Wir bedanken uns bei der Quantenphysik und erfreuen uns dem Geldsegen, den solche Quizshows so mit sich bringen. Aber halt. Der Moderator bietet uns eine Bonusfrage an. Verdoppeln oder nichts. Das klingt fair, denken wir uns, und betrachten die alles entscheidende Frage: Wie überträgt das Teilchen Alpha die Information seines Kollaps in Echtzeit an das weit entfernte Teilchen Beta?
Jetzt wird klar, weshalb Albert Einstein dieses Phänomen als spukhafte Fernwirkung bezeichnet hat. Obwohl wir alle verbleibenden Joker ausspielen und den Moderator hilfesuchend anschauen, können wir diese Frage nicht beantworten. Quizshow leider verloren. Tatsächlich erhalten Sie ungefähr eine Million Euro, wenn Sie diese Frage beantworten. Dahinter verbirgt sich nämlich eines der grössten Rätsel der Quantenphysik. Ein Rätsel, dessen Lösung das Nobelpreis-Komitee nur zu gerne vergolden würde.
Obwohl der Kollaps der Wellenfunktion offenbar augenblicklich ins gesamte Universum übertragen wird, verletzt dieser nicht unbedingt das Lichtgeschwindigkeitsdogma der Relativitätstheorie. Verschiedene Experimente haben nämlich gezeigt, dass bei der spukhaften Fernwirkung keine echten Informationen übertragen werden, das heisst es ist nicht möglich, die spukhafte Fernwirkung als Teleporter zu instrumentalisieren. Denn nach der heutigen Interpretation der Quantenphysik erfolgt der Sprung des Teilchens in einen Zustand zufällig. Es lässt sich prinzipiell nicht vorhersagen, welches Teilchen welchen Zustand annehmen wird. Daher können auch keine Daten oder gar Menschen mittels der Fernwirkung teleportiert werden. Zumindest nicht nach heutigem Stand des Wissens.
Die Kopenhagener Deutung, die populärste Interpretation der Quantenphysik, kennt keine Erklärung oder Interpretation des Verschränkungsphänomens. Die Viele-Welten-Theorie ist fast genauso ratlos und schiebt die Ursache einem unbekannten Mechanismus einer Parallelwelt in die Schuhe. Es existieren weitere Theorien, die bisher von der Fachwelt jedoch eher unbeachtet geblieben sind. So vermutet eine Theorie ein Hintergrundfeld, welches die Teilchen ausserhalb der Raumzeit miteinander verbindet und dadurch die Übertragung des Messereignisses in Nullzeit erlaubt. Möglicherweise bietet diese Theorie auch Hand zur Erklärung des Tunneleffekts, wobei die Teilchen als virtuelle Teilchen über das Hintergrundfeld transportiert und nach dem Engpass zu einem gewöhnlichen Teilchen materialisiert werden. Vielleicht wird erst eine vereinheitlichende Theorie aller Grundkräfte und Elementarteilchen dieses Phänomen erklären können. Ein heisser Kandidat für eine solche Weltformel ist die Stringtheorie. Allerdings ist diese noch zu wenig weit entwickelt und zu wenig verstanden, um die rätselhaften Quantenphänomene wirklich erklären zu können. Klar ist bisweilen eigentlich nur, dass Feynman Recht zu behalten scheint. Die Quantenphysik ist eine Disziplin der
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