Einzelkaempfer
teuerste Bild der Welt: Das ›Portrait von Dr. Gachet‹. Schnell brausen wir durch die abendliche Hafenkulisse, während sie mich durch die Gassen lotst und die Wissenslücken füllt und die sind – Sie können doch schweigen? – zahlreich. Uns entgegen kommt ein Korso dunkelblauer Wagen, sieht irgendwie offiziell aus. Ein Gefühl wie Déjà-vu.
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Ah, ja, jetzt versteh ich, fasst der Advokat zusammen, während Hanna aussteigt und zu einem Hausboot hinüber geht. Hanna, Versicherungsagentin, kam einem Kunsträuberring auf die Spur, wie vermutet. Gleichzeitig hatte auch Interpol ein Auge auf einen bekannten Kunstförderer geworfen – der Villenbesitzer. Der erklärte sich gegen Strafminderung gezwungenermaßen bereit, Hanna als seine Frau in die Kreise einzuführen. Die Kunstliebhaber: ›Meine Kuh, meine Kirche, mein Patient‹ sind hinter Schloss und Riegel. Ad, der bislang seinem Schwager lediglich Tipps über Interessenten und dergleichen gegeben hat, wollte mal richtig mitverdienen und fand im Bruder des falschen Hasen, der die Kontakte zu den Fälschern pflegte, einen Mitstreiter. Vielleicht hat gar Andy die Polizei auf seinen Bruder gehetzt, dazu müsste sich Kommissar Schneider äußern. Doch Andy konnte den Hals nicht voll genug kriegen und hat das Portrait von Doktor Gachet nicht mitgeliefert. Hier gerietest gar du, lieber Heiner, jetzt wird er vertraulich, als Räuber ins Visier der Verbrecherbande ebenso wie ins Fadenkreuz der Ermittler.
Um das bedeutende Kunstwerk rankt sich eine eigene Spannungsgeschichte. Doktor Gachet ging durch viele Hände und Länder, darunter Paris, Weimar, Berlin. 1938 kaufte es der Amsterdamer Franz Koenigs, ein Vorfahr Ads, alias Karl Koenigs, von Reichsmarschall Göring. Koenigs besaß es nur kurze Zeit, wobei es im Lande blieb. Im Moment ist nicht öffentlich wo sich das Bild befindet. Nachdem es 1990 für 82,5 Mio. Doller bei Christies von einem japanischem Papierfabrikanten innerhalb von drei Minuten ersteigert wurde, soll das Auktionshaus es für ein Achtel der Summe später zurückerworben haben. Das ist eine Version. Eine weitere lautet, dass ein italienischer Unternehmer es in der Schweiz erworben hat, um es in Japan zu verkaufen. Gesehen hat das Bild niemand mehr. Ob es vielleicht doch, wie vom Papierfabrikanten seinerzeit gewünscht, ihm mit ins Grab gegeben worden war? Spekulationen.
Vermutlich, nein, bestimmt, ist der traurig dreinblickende, verzweifelte letzte Psychiater Van Goghs auf dem 911er Notsitz eine Fälschung. ›First of all, he is sicker than I am, I think, or shall we say just as much‹ ... soll Van Gogh über ihn gesagt haben, wobei er sich 1888 das Ohr verstümmelte, die Fetzen einer Hure schenkte und sich später mit einem Schuss auf einem Feld niederstreckte. Er starb zwei Tage später am 29. Juli 1890, im Alter von 37 Jahren.
Die ganze Tragik hatte der Künstler des Portraits im Blick des Doktors eingefangen, der den Kopf aufgestützt neben Büchern und der Heil- wie Giftpflanze Fingerhut zeigt. Digitalis purpurea, woraus ein Medikament zur Behandlung von Herzinsuffizienz gewonnen wird, welches Gachet wahrscheinlich Van Gogh verabreichte. Der Blick des Doktors – jeglicher Hoffnung beraubt.
Hoffnung. Ja. Heiner Himmel, immer noch arbeitslos, neuerdings schuh- und bartlos aber bestimmt nimmermehr mutlos, trägt Hoffnung.
Hanna hat auf dem Boot Licht gemacht, eine Rampe herausgefahren und winkt – Eva. Ich trete aufs Gaspedal und lenke den Wagen auf das Boot. Der schmale Holzweg verschwindet per Knopfdruck unter Deck. Sie hüpft an Land, Leinen los, ich fang sie auf, die Stricke, dann die Lady.
Das Hausboot gleitet durch den Hafen Richtung offene See. Um die Nase die frische salzige Brise, im Ohr das sonore Brummen des Dieselmotors. Am Steuer eine wunderbare Frau. NIMM MICH MIT. Mein zuckendes Augenlid kommt zur Ruh. Geht schlafen, schicke ich den Advokat und Kalle in die Kojen.
Im Kopf tönt leise der Song von eben, wie aus einem anderen Film, einem anderen Leben ... ›es geht kein Weg zurück‹ ... zum Glück.
ENDE
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