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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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unsere Produktion nach Tschechien. Wenn Sie mitkommen wollen, würden wir eine Änderungskündigung ausstellen. Wenn nicht, dann können Sie sich ab dem nächsten Ersten arbeitslos melden.« Das war ein Hammer. Hätte ich damals schon gewusst, dass meine Ehe den Bach runter gehen würde, dann hätte ich vielleicht anders entschieden. So bin ich geblieben, im Arbeitsamtsbezirk der Stadt Siegen.
    Obwohl sie angeblich das wirtschaftliche und kulturelle Oberzentrum der Region Siegerland-Wittgenstein ist, habe ich in einem Prospekt gelesen – für Blechschlosser gibt es hier immer weniger zu schaffen. Eisenerzgruben gab es hier früher. Ebenso Verhüttungen, davon zeugen still die beeindruckenden Schlackehügel. Eine große Anhäufung grau-schwarzer Schlacken, bewachsen mit einigem Grünzeug. Ein besonderes Exemplar ist in der Nähe der Uni und Fachhochschule Siegen. Nebel überm Monte Schlacko. Wäre die Sicht damals doch noch schlechter gewesen. Wir waren beide 13 und ich hatte eine Wette verloren und musste sie vor Ort und vor allen anderen einlösen. Brrr. Ich meine in Momenten der Erinnerung wie diesen, noch den Geschmack Tabeas pelziger Zahnspange auf der Zunge zu spüren. Hätte ich doch studiert, denke ich manchmal, dann wärst du vielleicht jetzt ein arbeitsloser Maschinenbau-Ingenieur, beendete Marie in ihrer Kosten-Nutzen-orientierten Art, katalogblätternd meine einmalige Anwandlung kurz nach Eheschließung unters Studentenvolk zu gehen. Verloren in Siegen, jagt mir eine Schlagzeile durchs Hirn.
    Trotz aller negativen Darstellung von wegen Provinz und so mag ich die Stadt, die zwischen sieben Hügeln liegt, wie Rom, na ja, großartiger Vergleich. Mir gefällt die Gegend hier. Passt irgendwie zu mir, rede ich mir bisweilen ein. Etwas rau im Klima, anspruchsvoll für Mountainbiker, der manchmal etwas mürrische wirkende Menschenschlag – aber ehrlich sind die Leute, keine Laberköppe und auf ihre Art herzlich, wenn man sie näher kennt. Die reden lieber ein Wort zu wenig als eines zuviel. Die Sprache gleiche einem vormals akkurat belegtem Apfelkuchen, durch den ein Quirl gewütet hätte, meinte mal eine Mitschülerin, die aus Hannover zugezogen war. Was soll’s, irgendwo muss man ja leben. Siegen ist immerhin eine Studentenstadt und hat zudem einige angenehme Lokale, finde ich. Wenn ich es mir leisten kann gehe ich schon mal ab und an ein Bierchen trinken in einer der Musikkneipen. Vergangenheit, ich sollte das in der Vergangenheit denken. Meine bevorzugte Kneipe haben sie abgerissen, für einen Parkplatz. Ehrlich gesagt, war ich schon lange nicht mehr aus. Ich wohne ja jetzt etwas weiter außerhalb, sozusagen an der Grenze zu Hessen. Hier gibt es noch mehr Grünflächen und meine Schwäche für die hügeligen Ausläufer des Rothaargebirges wird jeden Tag aufs Neue strapaziert, wenn ich mich auf mein Rad schwinge. Meine letzte ausgelassen begonnene und übelst betrunken ausklingende Tour durchs Siegener Nachtleben endete in der Altstadt, irgendwo im Schlosspark und lässt sich auf den Tag datieren, als ich bei meinem mich verwaltenden Beamten war, heute sagen sie so moderne Vokabeln wie Job-Vermittler. Jedenfalls sagte er freudig erregt, er war wohl neu im Amt, dass sie mich umschulen könnten. Was ich denn gerne tun wollte. Im Angebot hatte er Altenpfleger und diverse Kaufmannsberufe. Ich habe im BIZ sitzend alles angekreuzt, beflügelt von einem Spruch, den irgendein Frustrierter vor mir in den Tisch geritzt haben musste: Du hast keine Chance, nutze sie. Und verdammt, ich habe sie genutzt. Habe meine Umschulung mit Erfolg durchgezogen. »Herr Himmel«, sagte der Mann vom Amt eines Tages, »da fängt morgen eine Umschulung zum Werbekaufmann an. Es sind zwar alle Plätze belegt, aber vielleicht kommt ja einer nicht.« Werbekaufmann, ach du lieber Himmel. Was sollte ich denn da? Aber wer A sagt, muss auch B sagen, so saß ich am folgenden Tag im WK 4 (Werbekaufmann, 4. Kurs), den Blick starr aus dem Fenster auf die die Stadt durchschneidende Hüttentalstraße gerichtet, wünschte mich auf die linke Spur, nur weg hier. Während ich die betont heitere Einführungsrede des Verwaltungstypen anhörte, hoffte ich noch, dass der fehlende angemeldete Teilnehmer kommen möge. Als ich dann die Rede des leitenden Professors anhörte, hoffte ich inständig, der fehlende Teilnehmer möge auf der Stelle hereinspazieren und ich hinaus. Doch der kam nicht, so blieb ich. Inmitten der hochmotivierten Damenschneiderinnen,

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