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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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dieses Urplötzlich ziemlich gut vorbereitet war. Ich war auf mein Urplötzlich nicht vorbereitet. Damals wie heute.
    Ich greife zum Handy und höre erst meine und dann die Worte meiner Freundin.
    »Hey Lena, alles klar?«
    »Meine Mutter ist tot.«
    *
    Die letzte Beerdigung, auf der ich war, ist viele Jahre her und fand nicht unweit von dieser Stelle statt, auf der ich gerade stehe und sich meine schwarzen Pumps in den Kies graben. Der warme Sommerwind fegt über den kleinen Friedhof, während der Pfarrer sein Buch zuklappt und zaghaft nickt, worauf der Sarg von Maria Landmuth von der Dunkelheit der Tiefe geschluckt wird.
    Nach Lenas Anruf hatte ich die Fenster in meiner Wohnung geschlossen, war mit meinem Reisekoffer an den ungeöffneten Briefumschlägen vorbeigerollt und mit meiner Freundin nach Lenbach aufgebrochen, ein kleines Dorf, zwei Fahrstunden von Köln entfernt. Als das zweistöckige Haus der Landmuths hinter den weiß gestrichenen Holzplanken und saftig grünem Gras in den blauen Himmel ragte und zwischen ihm und mir der Sommer schwirrte, mit seinen Bienen und Schmetterlingen und der flirrenden Luft, fühlte ich mich schlagartig wieder wie das siebenjährige Mädchen, das hier Butterblumen gepflückt und Frösche in den Handflächen umhergetragen hatte. Alles in mir widerstrebte sich, nun dieses kleine Haus am Seeufer zu betreten und mich vom Gegenteil zu überzeugen.
    Mittlerweile hatten Lena und ich mit dem Nachbarn geredet, der Maria Landmuth gefunden hatte. Ein Herzinfarkt. Ganz plötzlich. Die Rinderbrühe mit Markklößchen köchelte noch auf dem Herd, als der Nachbar sie fand.
    Lena und ich hatten die Beerdigung organisiert und alle das Ereignis betreffenden Leute verständigt, während ihr Mann Thomas sich bis kurz vor der Beerdigung noch in Köln um den gemeinsamen Feinkostladen und die sechsjährige Zora gekümmert hatte. Die Vorbereitungen für die Trauerfeier hielten mich vier Tage in Lenbach fest. Vier Tage entfernt von Christinas und Frederiks Hochzeit.
    Maria Landmuth war alleinstehend gewesen und besaß eine Unmenge an Freunden, so dass ihr Grab nun von unzähligen dunkelgekleideten Gestalten gesäumt wird, auf deren Häupter die Hitze des Tages drückt. Ich blicke mich um, ob meine Mutter, die damals mit Maria gut befreundet war, zur Beerdigung gekommen ist. Da ich jedoch keine Frau entdecke, die für den Anlass unpassend gekleidet ist und durch wilde krause Haare und extrovertierte Gesten auffällt, bin ich mir sicher, dass sie nicht da ist. Ich blicke an den blanken Grabsteinen und -platten vorbei zum Anwesen der Landmuths, das direkt an den Friedhof angrenzt. In den Fenstern des kleinen Hauses am See werden bunte Blumen von seidenen Gardinen eingerahmt, und alte dicke Bäume säumen den Weg zum Steg. Als kleines Kind stand ich mal unter einem dieser knorrigen Bäume und fragte Frau Landmuth, wie die Blätter im Frühjahr wieder an die Bäume kommen, worauf sie mir mit sanfter Stimme antwortete: »Das ist eine sehr gute Frage, mein Kind. Darum kümmern sich die Blattklauber. Sie sind sehr klein, fast unsichtbar, aber sie haben lange, klebrige Finger, an denen die heruntergefallenen Blätter im Herbst kleben bleiben. Die sammeln sie auf und verstauen sie in riesigen Säcken, um sie im Frühling wieder an die Bäume zu heften.«
    Nachdem ich meinem Vater daraufhin von den Blattklaubern erzählt hatte, half er mir im Wald nach ihren Spuren zu suchen.
    Der Pfarrer spricht irgendwelche letzten Worte. Ich höre nicht hin. Ich habe ihm beim letzten Mal auch schon nicht zugehört. Das war seine Beerdigung. Die Beerdigung von Carl Lenartz. Meine Freundinnen standen neben mir genau wie jetzt. Ich trug dasselbe Kleid, dieselben Schuhe, dasselbe Zucken um die Augen, das ich unter meinem Pony zu verstecken versuche. Alles ist wie damals. Nur mit einem kleinen Unterschied: Christina war noch eine von uns. Nun ist sie eine von denen, die sich im Honeymoon einen Cocktail mit Schirmchen anreichen lassen, in der Hoffnung, dass tatsächlich nur die Liebe zählt.
    Als Lena sich dem Grab ihrer Mutter nähert, fällt mir auf, dass ihr rotblondes Haar, ihre blasse Haut und die hageren Wangenknochen sie zerbrechlicher wirken lassen als sonst; ihr Gesicht ist jedoch ruhig, sortiert, unter Kontrolle. Astrid hingegen schluchzt hinter ihrem Handrücken, so dass dicke Tränen über ihre Pausbäckchen kullern. Ich mache gar nichts. Außer nervös zucken. Etwas weiter abschüssig den Kiesweg entlang ist das Grab

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