Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Teile, schiebe die Papierschnipsel unter meinen Händen zusammen und laufe damit zum Balkon, während sich in meinem Kopf die Worte zusammenspinnen …
Liebe Frau Lenartz,
leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die Menschen um sie herum ausreichend beschäftigt und glücklich sind. Und das ganz ohne Sie …
… und lasse die bunten Fitzel von einem leichten Lüftchen über die Dächer von Köln tragen. Ich will ihnen das Gefühl schenken, das sich in mir ausbreitet: Freiheit.
Ich bin frei von meiner Beziehung, frei von der Verpflichtung, das Kinderbuch fertig zu schreiben, frei von neuen Entscheidungen. Wieder klimpert der Ring an meinem Finger beim Umgreifen des Eisengeländers. Ich versuche, die Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten: Ich meine, ich habe einen Job, bei dem mir alles im Überfluss zusteht: Geld, Arbeit, sexuelle Belästigung und ein Chef, der mich Montag früh um acht Uhr in seinem Büro sprechen möchte. Die Gerüchte, dass er mich rausschmeißt, haben sich mittlerweile bis zur Mensa auf der gegenüberliegenden Straßenseite herumgesprochen. Aber was mache ich mir Sorgen. Heute ist Freitag.
Mein Exfreund ist glücklich verheiratet, aber das macht nichts, weil er ein bekloppter Eimer ist. Außerdem habe ich ihm damals, nachdem er mich monatelang mit Christina betrogen hatte, gesagt, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein möchte und die neue Frau an seiner Seite respektiere. Dummerweise hat Frederik seinerseits das doch tatsächlich akzeptiert, was ziemlich ärgerlich war, weil ich in Wahrheit die blonde Konkurrenz, die nun in meinem Bett zu liegen pflegte, nun wirklich alles andere als souverän hinnahm!
Warum musste es auch ausgerechnet Christina sein?
Und ich?
Ich bin raus.
Anfänglich hatte ich doch tatsächlich noch Hoffnung.
Aber als Frederik mir nur vier Monate nach unserer Trennung sagte, er wolle Christina heiraten – heiraten, eine Veränderung des Beziehungsstatus, zu dem Frederik mich bis zum Schluss auch unter größten Mühen nicht hatte bewegen können –, implodierte meine komplette Welt dann tatsächlich. Normalerweise hätte ich zum Trost mit Christina Unmengen an Rotwein konsumiert und anschließend über mögliche Handlungsalternativen bezüglich Frederiks baldigen Ablebens diskutiert, um uns schließlich für die blutigste aller Varianten zu entscheiden. Leider war Christina nicht an Frederiks Ableben interessiert. Ich hingegen schmiedete Doppelmordpläne.
Ich stütze meine Ellenbogen auf das Balkonsims, während ich stöhnend mein Kinn in die offenen Handflächen sinken lasse. Wenn ich Frederik zufällig treffe, schlägt mein Herz noch immer für ein paar Takte schneller. Wenn ich an ihn denke, bin ich zwanzig Kilo schwerer. Und wenn mir auf einer Postkarte aus seinen Flitterwochen nicht entgeht, dass er »dein Frederik« geschrieben hat, merke ich, wie wenig ich tatsächlich respektiere, was ich angeblich schon längst respektiert habe.
Aber will ich ihn tatsächlich zurückhaben?
Ich warte kurz, in der Hoffnung, irgendetwas in mir drin antworte mir.
Nein.
Also versuche ich es mit einer neuen Frage.
Warum habe ich ein Dutzend Heiratsanträge wütend abgelehnt mit den Worten, über so etwas spreche man nicht vor dem erstenKaffee am Morgen, in der Mittagspause im Büro oder spät am Abend im wahlweise zu schläfrigem oder angetrunkenem Zustand, während Christina einen einzigen Antrag annahm?
Wieder keine Antwort.
Unter diesen Umständen verzichte ich auf eine dritte Frage.
*
NOTFALLPLAN NO. 3
ART DES VORFALLS: FREDERIK
SCHWERE: RÜCKFALL MIT MITTELGRADIGER INTENSITÄT
MAßNAHMENKATALOG: (EINZELN ODER KOMBINIERT ANZUWENDEN)
1. SOFORT VON ALLEN SCHOKOLADEHALTIGEN LEBENSMITTELN FERNHALTEN
2. CD VON PINK EINLEGEN, LIED »SO WHAT!« AUFDREHEN, TANZEN
3. EINE FOLGE SOLOKITCHEN – GUTES ESSEN BRAUCHT KEINEN MANN! MIT STARKÖCHIN SUSAN WINTER ANSEHEN
4. COCKTAILBAR, KNEIPE ODER COUCH MIT LENA UND ASTRID AUFSUCHEN
5. AUSGEHEN!
ZEITPLAN: UMGEHEND UMZUSETZEN
KONTAKTPERSONEN: LENA, ASTRID, PINK UND SUSAN WINTER
*
»So, so what, I’m still a rockstar, I got my rock moves. And I don’t neeeeeeeeed you.« Ich singe aus tiefster Leidenschaft, während Pink meine Gläser zum Vibrieren bringt. Oder bin ich das selbst mitmeiner schiefen, dominanten Rockstimme? »I don’t need you at all.« Ich schwinge mich ins Wohnzimmer und wieder zurück. Musik ist eine gute Sache. Eine Psychotherapeutin sagte mir mal: »Drehen Sie zur Psychohygiene
Weitere Kostenlose Bücher