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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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Fotscha – Gatzko erneut unterbrochen“, „Autobahn Zagreb – Rijeka wieder verweht“ … Ihm war, als schrieben die Zeitungsleute so was ihm zum Trotz, und jedesmal, wenn er in den Zeitungen eine solche Nachricht las, hatte er die Empfindung, es piekse ihn jemand mit einer Nadel. Aber kaum hatte er sich wieder im Fauteuil ausgestreckt, riß das Spezialtelefon ihn mit unangenehmem Klang hoch. „Ja“, antwortete er, „ich verstehe, auf jeden Fall, unbedingt, noch heute, auf jede Art und Weise, alles, w as wir können …“ Aber am an deren Ende schienen sie sich damit nicht länger zufriedenzugeben. Sie unterbrachen ihn grob: „Das haben wir schon gehört. Haben Sie uns irgend etwas Neueres zu melden?“ Und noch unangenehmer und bestimmter: „Wissen Sie denn, was geschieht? Wie konnten Sie das zulassen? Sind Sie sich Ihrer Verantwortung bewußt? Ist die Situation Ihnen überhaupt klar? Wie können Sie sich diesen Problemen gegenüber so kühl verhalten?“ Und er wußte, daß sie unter sich, nachdem sie aufgelegt hatten, noch verschiedene andere, für das Ohr schmerzlichere und unangenehmere Ausdrücke gebrauchen würden, an denen unsere bunte und saftige Sprache einen solchen Überfluß hat – und auch damit würden sie ihn beschuldigen und dafür verurteilen, daß sie selbst Schnee und Frost mit sich gebracht hatten. Und obgleich er vor Bedrängnis ins Schwitzen kam, konferierend und telefonierend, von einem Ort zum anderen hastend, spürte er, wie ihm von all diesen Erklärungen, den immer kürzeren, verhalteneren und kühleren, immer unangen ehmer und kälter ums Herz würde.
    „Hast du die Zeitung gelesen?“ fragte Frau Krekić ihren Mann, der, die Beine in ein warmes Plaid gewickelt, ins Fauteuil zurückgesunken beim Fenster saß und den Schnee im Garten und auf der Straße betrachtete.
    „Die heutige? Ist sie denn schon angekommen?“
    „Ja, ein wenig früher als gestern.“
    „Wie könnt ich sie gelesen haben, wenn du sie als erster geschnappt hast.“
    „Es ist wieder ein Bild von Plećasch drin. Fast täglich etwas im Zusammenhang mit ihm. Der wird noch mehr Karriere machen!“
    „Der! Der hat schon alles erreicht, was er konnte, und viel mehr, als nötig gewesen wär. Er ist allzu breitschultrig und unmittelbar; er müßte etwas schlanker und elastischer sein. Außerdem ist es nicht gerade günstig, daß in der Presse sein Bild so oft auftaucht.“
    „Wieso? Was soll ihn daran stören?“
    „Ihn? Ihn stört es vielleicht gar nicht, aber es wird andere stören und ihnen zum Hals heraushängen. Sie werden sagen: ,Was soll dauernd dieser Plećasch in den Zeitungen, wie eine Filmdiva. Besser wär’s, er kümmerte sich um seine Geschäfte und beseitigte endlich diesen Schnee von Straßen und Schienen …’ Außerdem – es ist nicht angenehm, General zu sein, wenn eine Schlacht verlorengeht, oder Minister für die Versorgung während einer Dürre und Hungerperiode, und auch nicht Direktor für den allgemeinen Verkehr, wenn der Schnee alles verweht. Sie werden ihn ablösen, wenn es nicht bald wärmer wird. Denn – wenn sie schon das Wetter nicht ändern können, können sie doch wenigstens ihn ‚verändern’ …“
    „Meinst du?“ fragte nachdenklich die Frau. Das Telefon läutete, und sie ging, um zu sehen, wer es war.
    Derweil streifte der Genosse Tomić mühsam das Eis von den Absätzen und betrat seine Wohnung. Noch einmal drehte er sich um und schaute dorthin, wo vor ein paar Tagen Plećaschs Wagen steckengeblieben war. Der Wagen stand noch immer da, auf demselben Fleck, eingenebelt von Schnee.
    Schon wieder? fragte der vorwurfsvolle Blick seiner Frau.
    Nur noch heute! antwortete sein Schweigen. „Endlich haben wir die Bilanz abgeschlossen“, sagte er, während er ablegte und seine Pantoffeln zu suchen begann. „Der Bericht ist gemacht!“ wiederholte er. „Alles stimmt – bis auf hundertstel Prozente.“
    „Ich sehe“, sagte sie, in der Zeitung blätternd, die sie ihm aus der Tasche gezogen hatte. „Wieder ein Bild von Plećasch. Und von dir nichts. Hast du wenigstens mit ihm gesprochen?“
    „Ja, glaub mir“, log er. „Zweimal war ich bei ihm. Kaum hatte ich begonnen, ihm zu erklären, unterbrach mich der Vorsteher mit einem Bericht über die Lage auf den Strecken im Süden. Ich konnte nicht auf meinen persönlichen Angelegenheiten bestehen.“
    „Ich weiß, ich weiß“, bestätigte sie, und ihre Augen begannen schon zu nässen.
    „Hör, ich bitt dich, komm mir

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