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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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Kunde gibt. Aber: Die blinde Natur erledigt dieses Geschäft auf ihre elementare, unverständige Art, wie sie das in früheren Eiszeiten zu tun gelernt hat, indem sie uns ihrem Willen und ihrer rohen Macht unterwarf, ausgerechnet die primitivsten und gröbsten menschlichen Exemplare verschonend, die am höchsten entwickelten und vergeistigtesten aber unbarmherzig vernichtend. Wir sterben also auf eine primitive Weise, unwürdig und beschämend für den modernen, kultivierten Menschen: noch genauso, wie man das in unserer Vorgeschichte getan hat. Und gerade deshalb hält das Interesse der Menschheit als Ganzes uns dringend dazu an, uns wenigstens in dieser Hinsicht, wenn schon in keiner anderen, energisch einzumischen und dem Tod und dem Sterben menschlichen Sinn und Ordnung zu geben. Wenn wir schon so und in solcher Zahl sterben müssen, möchten wir es wenigstens so tun, wie wir wollen, und auf unsere menschliche Art und Weise.
    Vor allem gilt es, einen Plan in diese Sache zu brin gen. Es darf nicht länger elementar gestorben werden – wie einer gerade will und es ihm in den Sinn kommt. Auch der Tod ist in der modernen, entwickelten Gesellschaft ein sozialer, kollektiver, gesellschaftlicher Faktor geworden, und es gehört sich, daß wir uns auf entsprechende Weise danach richten. Mit anderen Worten: Es ist notwendig, daß wir mit mehr Verständnis und Gefühl für Ordnung sterben. Die Übersicht über das Sterben muß verstärkt und verbessert und es müssen eigene Karteien angelegt und vervollkommnet werden, die es uns ermöglichen, über den Tod wenigstens einen Überblick zu bekommen – was ja doch auch eine Art Kontrolle wäre. Die Statistik würde uns sagen, wie viele nach den früheren und wie viele nach den neuen, eiszeitlichen Naturgesetzen sterben – während wir mit unseren menschlichen Vorschriften danach streben würden, die Natur zu korrigieren, wie wir das ja auch bei anderen Gelegenheiten zu tun gewohnt sind, indem wir zum Beispiel festlegen, wer wann in welche Gehaltsklasse aufsteigt oder in Pension geht. Denn schließlich ist der Tod ein nicht weniger wichtiger gesellschaftlicher Faktor als Beförderungen und Pensionierungen. Übrigens – schon in der früheren, warmen Epoche wurde in gewissen Ländern die maximale Geburtenquote geplant, und in verschiedenen Familien ist diese Praxis längst eingeführt. Kühl und überlegt entscheiden wir, ob wir, zum Beispiel, ein oder zwei Kinder zur Welt bringen wollen – warum könnten wir dann nicht mit ebensoviel, wenn nicht mit noch mehr Recht bestimmen, wer wann zu sterben hat?
    Wir glauben, daß vereinzelte anarchistische und asoziale Elemente in der ersten Zeit Widerstand leisten werden. Sie werden sagen, die neuen Maßnahmen stellten eine Beschränkung der menschlichen Individualität und einen Angriff auf die persönliche Freiheit dar, aber wir werden solchen Typen leicht mit dem bekannten Zitat antworten, daß Freiheit Einsicht in die Notwendigkeit ist! Wahrscheinlich wird es auch solche geben, die demagogisch anmerken werden, diese Maßnahmen seien brutal, kalt und stur, wir aber werden ihnen antworten: Wie der Heilige, so das Fest! Wie die Zeiten, so die Bräuche! Und in der Eiszeit ist alles brutal, kalt und stur. Schließlich werden sich vermutlich auch solche nicht bewußte und ungenügend disziplinierte Einzelpersonen finden, die vielleicht ungünstig reagieren, die Ordnung durchbrechen, sich den Vorschriften nicht fügen und es ablehnen werden, zu sterben, wenn man das von ihnen verlangt. Denen muß man zuerst sanft gegenübertreten, mit Überzeugung, ihnen klarmachen, daß man das im Interesse der Menschheit von ihnen verlangt, im Interesse des Volkes, im Interesse der Menschenwürde – und schließlich in ihrem eigenen Interesse. Erst wenn sie das nicht begreifen und alle anderen Überzeugungsmittel versagen, wird man gegen solche äußerst undisziplinierten einzelnen und unheilbar kranken asozialen Typen die erforderlichen Zwangsmaßnahmen ergreifen.
    5. Der Form nach wird das Sterben einzeln oder in Gruppen, dem Inhalt nach freiwillig oder gewaltsam vor sich gehen.
    Wer sich entschließt, freiwillig zu sterben, meldet sich mit einem vorgeschriebenen Bittgesuch und genau ausgefüllten Formularen mindestens eine Woche vor dem gewünschten Todestag bei den dafür eingesetzten Organen. Nachdem die Formulare seitens besonderer Kommissionen durchgesehen und wenn festgestellt worden ist, daß der Bittsteller alle Bedingungen erfüllt und auf

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